Das Violinkonzert, das der 17-jährige Richard Strauss 1881 komponierte, kann mit dem späteren Output des Komponisten nicht verglichen werden. Seine eigene Sprache hatte der Komponist zu dem Zeitpunkt noch nicht gefunden. Das klassisch gehaltene Werk erinnert an Mendessohn, vielleicht ein wenig auch an Schumann. Dennoch handelt es sich um ein erstaunlich reifes Werk, das auch für den Solisten eine technische wie vor allem gestalterische Herausforderung ist.
Thomas Albertus Irnberger spielt es mit demselben Anspruch, den der Solist an eines der bedeutendsten Werke der Literatur stellen würde. Anders gesagt: er investiert sich sehr, ohne aber das Konzert interpretatorisch zu überfrachten. Und die daraus resultierende Natürlichkeit des Gefühlsausdrucks ist es, die die Irnberger-Aufnahme auszeichnet und über alle anderen hinaushebt, die ich kenne. Sein erster Satz ist leidenschaftlich, der zweite lyrisch ohne Sentimentalismus und der dritte angenehm virtuos, verspielt und flüssig, ohne Show-Charakter.
Der junge österreichische Geiger wird in diesem souveränen Interpretieren vom ‘Israel Chamber Orchestra’ unter Martin Sieghart sehr gut unterstützt.
Diese singuläre und durchaus entspannte Leistung ist umso bemerkenswerter als dieses Violinkonzert während der ‘Operation Wolkensäule’ unter nicht sehr einfachen Umständen in Tel Aviv aufgenommen wurde. Thomas Albertus Irnberger schrieb mir dazu in einem Mail: « Kurz nach meiner Ankunft in Tel-Aviv, wo ich mich für einen Zeitraum von drei Wochen für die CD- Aufnahmen und die anschließenden Konzerte aufhielt, wurde der Flughafen gesperrt. Vor der Besichtigung der Konzertsäle wurden mir von den dortigen Hausmeistern die Schutzbunker gezeigt. In drei Nächten musste ich im Pyjama in die hoteleigenen Schutzräume flüchten. Auch während der Aufnahmen musste ich mit dem Orchester die Bunker zeitweise aufsuchen – und schließlich ist noch vor dem Tel Aviv-Museum, das einen schönen Konzertsaal beherbergt, einen Tag vor dem 1. Konzert eine Bombe in einem Bus explodiert. Wir waren alle in einer unglaublichen Anspannung – auf der einen Seite die herrliche Musik, Sonnenschein und warmes Wetter- auf der anderen Seite die lauernde Gefahr, der Beschuss durch die Raketen. Wir sind uns fast wie das Orchester auf der Titanic vorgekommen, und vielleicht hat uns gerade die Gefahr noch mehr für die Musik sensibilisiert. »
Auch noch in der sechs Jahre nach dem Violinkonzert entstandenen Violine-Sonate op. 18 lässt der 23-jährige Komponist in einer wohl schon sehr persönlichen Tonsprache die Urbilder erkennen, denen er in dieser Zeit der Suche nach einem eigenen Stil nacheiferte. Die feine Kunst der kleinen dynamischen Unterschiede, der haarscharfen Abtrennung von Schwer und Leicht, von Betont und Unbetont, die ganze schöne Kultur des Zusammen-Musizierens kommt in der Interpretation von Irnberger und dem Pianisten Michael Korstick zum Ausdruck, im letzten Satz auch mit packender Leidenschaft.
Gut ausbalancierte und angenehm räumliche Surround-Aufnahmen sind ein weiterer Vorteil dieser Produktion, die das Strauss-Jahr auf höchstem Niveau einleitet und dem jungen Komponisten seine Jungfräulichkeit belässt.
Gramola inaugurates the Strauss year with two early works showing a composer who definitely looks more back than forth. Adding no superfluous weight, Irnberger doesn’t force the music in any direction and, thus, is very convincing with his naturally flowing sovereign and constantly vivid performances.