Wir haben uns ja schon vor zwei Jahren bei Ihrem Piazzolla-Projekt gut unterhalten. Was hat sich bei Ihnen seitdem getan?
Die neue CD, bei der auch wieder der Pianist Benyamin Nuss mitwirkt, markiert eine Zwischenstation, denn wir sind schon wieder an der nächsten Veröffentlichung dran. Wir haben noch viel vor. Ich freue mich, dass sich meine Karriere als solistischer Marimbaspieler so gut weiter entwickelt. Und es ist für mich gut, in Deutschland zu leben und zu arbeiten.
Ein Vivaldi-Flötenkonzert auf der Marimba zu spielen, mutet revolutionär an. Warum haben Sie sich für dieses Programm entschieden?
Eigentlich ist das gar nicht so revolutionär. Der Bezug zur Barockmusik unter Marimbaspielern ist eine essentielle Sache. Ich selbst und viele meiner Kollegen spielen viel Bach. Ich war einfach mal neugierig, einen anderen Komponisten aus dieser Epoche kennen zu lernen. Mit Vivaldi schließt sich gewissermaßen eine Lücke. Ich wollte ausprobieren, wie diese Musik auf der Marimba funktioniert.
Wie weit denken Sie bei der Programmauswahl über Ihr potenzielles Publikum nach?
Ich denke bei der Konzeption meiner CDs immer über Erwartungshaltungen nach. Entsprechend habe ich dieses Vivaldi-Konzert an den Anfang gestellt, um meine Hörer erstmal abzuholen, bevor ich ihnen neue Werke präsentiere. Bei Vivaldi ist immer ein Wiedererkennungseffekt vorprogrammiert.
Funktioniert Vivaldi anders als Bach?
Auf jeden Fall! Bach hat immer eine gewisse sakrale Schwere. Vivaldi wirkt auf mich verspielter, musikantischer, unmittelbarer. Das ist ein ideales Terrain, um das Publikum direkt zu Anfang mit den Möglichkeiten meines Marimbafons vertraut zu machen. Spieltechnisch herausfordernd bleibt diese Musik für mich allemal!
Wenn Sie auf einem Perkussionsinstrument ein Flötenkonzert spielen – würden Sie dies als eine Art Übersetzung bezeichnen?
Ich erlebe diesen Prozess als spannende Entdeckungsreise. Es war eine neue Erfahrung, etwas, das für Flöte geschrieben ist, zu spielen. Ein Perkussionsinstrument hat erst mal eine ganz andere Ausgangslage. Aber dann kommt eine übergeordnete Ebene in der Musik ins Spiel. Losgelöst vom Instrument geht es darum, die Phrase einer Melodie zu erfühlen und ihren Atem zu erfassen.
Wie sind diese Ausdrucksvielfalt und dieser artikulatorische Reichtum auf einem Schlaginstrument überhaupt erst möglich?
Ich kann mir auf diesem Weg die Phrasierung einverleiben, auch wenn ich – rein technisch betrachtet – perkussiv spiele. Wenn Sie genug fühlen, wie Sie phrasieren müssen, dann ergibt sich alles von selbst. Vor allem im zweiten, langsamen Satz muss ich ganz viele Noten spielen – oft um nur einen einzigen ausgedehnten Ton zu erzeugen. Dass bei einem einzigen Ton beide Hände unermüdlich im Einsatz sind, ist ohnehin Normalzustand. Der Ton soll leben! Was der Flötenspieler durch Atemkontrolle erzeugt, das geht bei mir alles über Beschleunigung und Entschleunigung des Tremolos. Bei all dem wächst mein tiefes Verständnis für den Tonfall der Musik.
Wie haben Sie die Kommunikation mit dem Orchester erlebt?
Das Kurpfälzische Orchester in Mannheim und Johannes Schlaefli kannten dieses Stück schon sehr gut. Für mich hingegen war es eine komplett neue Erfahrung, aber die Neugier gab mir viel Energie. Ich bin im Ensemble auf viel Souveränität gestoßen. Diese 14 Leute inklusive des Cembalospielers haben sehr gut erfasst, was ich wollte. Ich habe genau hingehört und so viele neue Klangfarben der vielen Instrumente eingesogen. Das hat mein eigenes Spiel in ganz neue Richtungen gelenkt. Alle waren begeistert, ja sogar manchmal regelrecht ergriffen von meiner Art, zu spielen.
Würden Sie sich als Emanzipator dieses Instruments betrachten?
Es gibt ein riesiges Repertoire und man sollte sich Gedanken machen, was man dem Publikum wirkungsvoll präsentieren kann. Hier schlummern noch viele Möglichkeiten. Das Publikum kennt dieses Instrument nicht so gut, geschweige denn seine riesigen Ausdrucksmöglichkeiten.
Erzählen Sie etwas über die anderen Werke auf dieser CD!
Emmanuel Séjournés ‘Concerto for Marimba and Strings’ ist dem Publikum vermutlich noch nicht so bekannt. Es ist aber ein Standardwerk in der Percussion-Szene, ja es ist sogar eines der drei absolut beliebtesten Konzerte unter den Marimbaspielern. Es verfehlt nie seine Wirkung, allein wegen seines romantischen Gestus. Es ist nie verkehrt, dies einem breiten Publikum zu präsentieren. Ich habe mich mit Emmanuel Séjourné gut unterhalten – ihm ist vor allem sein Bezug zu Rachmaninov ein Anliegen hier.
Takatomi Nobunagas Marimba-Konzert ‘Crossed Sonar of Dolphins’ ist ganz neu und es hat daher auch die modernste Tonsprache. Vieles ist hier gar nicht mehr tonal zentriert. Aber diese Musik ist alles andere als abstrakt, sondern verkörpert eine große imaginäre Kraft. Das Publikum kann daher vieles intuitiv erfühlen. Es geht ja hier auch um eine große Botschaft: Um Menschen, Kreaturen, vor allem Delphine. Es soll auf poetischem Wege nachdenklich machen für alles, was Menschen mit diesem Planeten tun.
Wie oft sind Sie noch in Japan?
Ein bis zwei Mal im Jahr. Ich gebe regelmäßig Konzerte dort und besuche dann auch meine Familie.
Unterscheidet sich das Musikerdasein in Japan von den hiesigen Bedingungen, die Sie ja so schätzen gelernt haben?
In Japan sind die Aufführungsorte meist sehr groß. Die meisten Konzerthallen in Japan haben eine Kapazität von 400 bis 1000 Sitzplätzen. In Tokyo kommen recht viele Leute zu Konzerten mit klassischer Musik. Aber außerhalb von Tokyo ist die Situation oft schon eine etwas andere.
Das stellt mich vor ganz andere Herausforderungen bei der Auswahl des Repertoires. Die klassische Musik Europas ist naturgemäß nicht so stark in der Lebenskultur verankert, sondern wird von japanischen Traditionen und noch viel stärker von Popmusik geprägt. Die Marimba als Instrument ist vielleicht populärer als in Deutschland, weil auch Leute von 3 Jahren bis 80 Jahren Marimba-Unterricht als Hobby nehmen.
Gibt es ein Unterschied bei der Haltung des Publikums?
In Europa habe ich das Gefühl, dass die Menschen neugieriger auf Unbekanntes sind. Das liegt vermutlich daran, dass die Menschen in Japan viel weniger Muße haben, sich auf Neues einzulassen. Die Arbeitszeiten in Japan sind nämlich extrem, so dass es viel weniger Freizeit gibt. Deswegen ist zum Beispiel eine zeitgenössische Musikszene auch weitaus weniger ausgeprägt.