Während nebenan im Baden Badener Festspielhaus die Berliner Philharmoniker ‘Tosca’ probten, saßen die fünf Bläser von ‘Variation5’ (geschrieben: variation hoch 5) im Hans-Rosbaud-Studio und warfen sich mit überbordender Vehemenz auf vier Werke für ein klassisches Bläserquintett. Das munter plaudernde Beiheft, quasi in Bierlaune – oder wurde es doch bei Wein geschrieben? – gibt die Ideen für die Auswahl der Stücke, den Elan bei der Einspielung und ein Art Tagebuch der Aufnahmetage inklusive der ausgewählten Restaurants.
Wenn man diese Texte liest, könnte man an der Ernsthaftigkeit der Aufnahme zweifeln. Aber sobald die ersten Töne erklingen, sind eventuelle Zweifel beseitigt. Dann staunt man nur noch ob der unbändigen Lust und der Risikobereitschaft, mit der Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott hier zu Werke, geradezu stürzen, nicht gehen. Das fängt gleich mit den auf den ersten Blick unbedeutenden drei Seemannsliedern, also Shanties, von Malcolm Arnold an. Diese stimmungsvollen Kompositionen bleiben einerseits im ruhigen und singbaren Fahrwasser ihres Ursprungs, loten aber von Seiten der Komposition auch die unbekannten harmonischen und konstruktiven Komponenten aus und werden von den Instrumentalisten mit dem echtem Seegang an das Ohr geworfen, so dass man über das schnelle Ende enttäuscht ist.
Drei wirkliche Klassiker stellen die Quintette von Françaix, Hindemith und Nielsen dar, wobei Hindemiths Werk als Kleine Kammermusik op. 24 Nr. 2 einen für diesen Komponisten typischen Titel trägt. Mit diesem Werk von 1922 verfolgte Hindemith die Idee, den Begriff Kammermusik neu zu definieren, in dem er sich von der romantischen Ausdruckswelt löste. Das wird insbesondere im zentralen Adagio deutlich, das eher zarte Impression als kräftiger Ausdruck ist.
Das ein Jahr ältere Quintett von Carl Nielsen dagegen ist dem Geist Mozarts verbunden, der der Liebling des dänischen Komponisten war. So hat das Stück eine an der Wiener Klassik orientierte Form. Im abschließenden elfteiligen Variationssatz werden die Instrumente in unterschiedlichen Kombinationen zusammen gefügt. Damit erwies Nielsen den mit ihm befreundeten Uraufführungskünstlern seine Referenz.
Bleibt das auf der Aufnahme an zweiter Stelle stehende Werk von Jean Françaix. Dieser Komponist nimmt immer eine Sonderstellung ein, was sowohl dem in seinem Leben als auch in den Werken ausgedrückten Humor angeht. Auch das Quintett profitiert von diesem Charme. Zwar erscheinen die vier Sätze klassisch angelegt, aber diese Vorlage dient nur dazu, sie zu unterwandern. Das Werk wurde jahrelang als unaufführbar bezeichnet und liegen gelassen. Zeitgenössische Urteile relativieren sich oft, so auch hier. Aber neben technischen Anforderungen gilt auch in der Musik, dass Humor und Leichtigkeit immer die größten Anforderungen an die Aufführenden stellen. Unsere fünf Musiker stürzen sich wie kopfüber in einen Wasserfall und kommen unten durchnässt, aber frisch und fröhlich jauchzend an.
Leider gibt das Beiheft, wie in letzter Zeit auch andere, keinen Hinweis auf die Künstler. Zwar mag man sagen, dass die immer gleichen Lebensläufe aus Ausbildung, Preisen und anstehenden Projekten nicht immer interessant sind. Aber in einem Fall wie diesem, in dem fünf Musiker zusammen kommen, die Solopositionen für ihr Instrument in führenden europäischen Orchestern innehaben, hätte einen der Hintergrund schon interessiert. Auch über die Werke wird eigentlich nicht viel gesagt, nur über die Einstellung der Künstler zu ihnen.
The musicians of Variation5 play like fearless musketeers and win the battle even in the most demanding pieces, namely Jean Françaix’s Quintet which is so tricky a composition that it is rarely performed. There is an infectious enthusiasm and musicality in these performances.