Heinz Winbeck: Alle Symphonien (Nr. 1 bis Nr. 5); Christel Borchers, Alt, Udo Samel, Sprecher, Günter Binge, Bariton, Werner Buchin, Countertenor, Wolf Euba, Sprecher, Bruce Weinberger, Saxophon, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Beethoven Orchester Bonn, Konzertchor Darmstadt, Muhai Tang, Dennis Russell Davies, Mathias Husmann; 5 CDs Tyxart TXA17091; Aufnahmen 1985-2017, Veröffentlichung 09/2019 (292') – Rezension von Remy Franck
Tyxart legt mit dieser Box die erstmalige Veröffentlichung aller fünf Symphonien von Heinz Winbeck (1946-2019) vor. Die Gesamtausgabe sei unter der persönlichen Regie des Komponisten entstanden, teilt das Label mit, und sie zeige einen Komponisten, « der die alte Form der Symphonie mit innerer Wahrhaftigkeit, existenzieller Dringlichkeit und handwerklicher Souveränität zu neuem Leben erweckte ». Die Symphonien seien eine logische und ehrliche Fortsetzung der Gedanken und Traditionen Bruckners und Mahlers, meint Dirigent Dennis Russell-Davies.
Der Komponist, der u.a. bei Harald Genzmer und Günter Bialas studierte und als Professor für Komposition an der Hochschule für Musik Würzburg wirkte,
hat in der Tat mit seinen Symphonien fünf groß angelegte Werke komponiert. Sie sind zwischen 39 (Nr. 1) und 81 (Nr. 4) Minuten lang. Die 5. Symphonie ‘Jetzt und in der Stunde des Todes’ reflektiert Skizzen zur 9. Symphonie Anton Bruckners. Sie ist, wie die beiden ersten, rein instrumental. Die Dritte benutzt Texte von Georg Trakl für Alt und Sprecher. Die Vierte baut auf Texten aus dem lateinischen Requiem und von Georg Trakl auf.
Winbecks Musik ist in der Anlage traditionell, modern wohl, aber nicht avantgardistisch. Sie ist kommunikativ und attraktiv wegen ihres Einfallsreichtums, gleichzeitig aber vermittelt sie nicht besonders viele positive Gedanken, beschäftigt sie sich doch intensiv mit dem Tod.
Die beiden ersten Symphonien bauen auf den Kontrast von extrem langsamer und extrem leiser und heftiger Musik auf, mit Sätzen wie dem Martellato marciale der Ersten oder dem ‘Mit vernichtendem Schwung’ der Zweiten. Die Dritte ist ein komplexes Werk. Es beginnt, wie die Satzbezeichnung besagt, hysterisch und beinhaltet weiterhin einen ausdrucksvollen langsamen Satz und zwei Sätze im Tempo des Trauermarsches.
Die 80 Minuten lange Vierte Symphonie ist wohl die modernste der fünf Symphonien von Winbeck. Sie handelt von Tod und Erlösung und kann als Requiem für die Mutter des Komponisten angesehen werden. Musikalisch bestimmt sehr originell, in den Ausmaßen gigantisch (auch was die Besetzung anbelangt) ist die Vierte eine Symphonie, die sich dem Zuhörer nicht unbedingt leicht erschließt. Doch wenn man sich darauf einlässt und das Werk mehrmals hört, kommt man ihm näher.
Die Fünfte heißt ‘Jetzt und in der Stunde unseres Todes’ und wurde komponiert « nach Motiven insbesondere des Finales der 9. Symphonie von Anton Bruckner ». Der Komponist hat darauf hingewiesen, dass lediglich in 4 von 1237 Takten tatsächlich direkte Zitate von Bruckners Musik seien. Wenn man die Symphonie hört, stellt man unschwer fest, dass er mit dieser Symphonie keinesfalls einen an Bruckner erinnernden Orchesterklang schaffen wollte.
Der dritte und der vierte Satz überraschen den Hörer mit Motiven aus Wagners Götterdämmerung, die kunstvoll verarbeitet und entwickelt werden. Die Erklärung dafür liefert das aufschlussreiche Textheft: Während Bruckner an seiner 9. Symphonie arbeitete, soll die Partitur der Götterdämmerung auf seinem Klavier gelegen haben.
Und so ist diese Box für jeden Freund symphonischer Musik bestimmt eine Entdeckung, die sich keiner entgehen lassen sollte, umso mehr als sämtliche Aufführung ein hohes musikalisches Niveau haben und unter der Leitung von engagierten Dirigenten entstanden, die diese Entdeckungen zum unauslöschlichen Erlebnis machen.
With this box Tyxart presents the first release of all five symphonies by Heinz Winbeck (1946-2019). The complete edition was compiled under the composer’s personal direction, the label announces, and it shows a composer « who revived the old form of the symphony with inner truthfulness, existential urgency and technical sovereignty ». – « The symphonies are a logical and honest continuation of Bruckner’s and Mahler’s thoughts and traditions », says conductor Dennis Russell Davies.
The composer, who studied with Harald Genzmer and Günter Bialas and worked himself as a professor of composition at the Hochschule für Musik Würzburg, has indeed composed five large-scale symphonies. They are between 39 (No. 1) and 81 (No. 4) minutes long. The 5th Symphony ‘Jetzt und in der Stunde des Todes’ reflects sketches for Anton Bruckner’s 9th Symphony. Like the first two, it is purely instrumental. The third uses texts by Georg Trakl for alto and speaker. The fourth is based on texts from the Latin Requiem and Georg Trakl.
Winbeck’s music is traditional, modern, but not avant-garde. It is communicative and attractive because of its ingenuity, but at the same time it does not convey many positive thoughts, as it deals intensively with death.
The first two symphonies build on the contrast of extremely quiet and extremely violent music, with movements like the Martellato marciale in the first or the ‘Mit vernichtendem Schwung’ in the second symphony. The Third is a complex work. It begins hysterically, as the movement title indicates, and continues to include an expressive slow movement and two movements at the tempo of the Funeral March.
The 80-minute long Fourth Symphony is probably the most modern of Winbeck’s five symphonies. It deals with death and salvation and can be regarded as a requiem for the composer’s mother. Musically it is very original, with gigantic dimensions, but it is not easily accessible to the listener.
The Fifth is called ‘Jetzt und in der Stunde unserer Todes’ (Now and in the hour of our death) and was composed « according to motifs especially from the Finale of the 9th Symphony by Anton Bruckner ». The composer has pointed out that only 4 of 1237 measures are actually direct quotations from Bruckner’s music. Anyway, it is easy to see that with this symphony Winbeck was by no means trying to create an orchestral sound reminiscent of Bruckner.
The third and fourth movements surprise the listener with motifs from Wagner’s Götterdämmerung, which are elaborately processed and developed. The explanation for this can be found in the informative textbook: while Bruckner was working on his 9th Symphony, the score of Götterdämmerung is said to have been on his piano.
And so this box is certainly a discovery for every friend of symphonic music and not to be missed, all the more so as all performances have a high musical level and were performed under the direction of committed conductors who make these discoveries an indelible experience.