Das Œuvre von Anton Reicha ist recht umfangreich. Deshalb lassen sich immer wieder Werke entdecken und zu hörbaren Aufnahmen zusammenstellen. Die Klavierwerke dieses Programms zeigen bereits die gesamte Vielfalt des Komponisten Reicha. Hier offenbart er sich einerseits als Fortführer der Tradition, wenn er in der Etude Nr. 29 und den Variationen über ein Thema von Gluck intelligent und geschmackvoll Fugen gestaltet und damit an frühere Zeiten und auch seine Ausbildung in Wien anknüpft. Gleichzeitig zeugen diese Stück durch ihre von den Vorbildern abweichende Ausführung und die Einführung überraschender harmonischer Wendungen, die unseren heutigen Ohren vielleicht gar nicht mehr so auffallen, ein für die Zeit unerhörte Wirkung. Seine auf der Basis des bestehenden Formenkanons auf die Zukunft gerichtete Sicht für musikalische Entwicklungen führte zur Ernennung als Direktor des musikalischen Arms der Akademie der schönen Künste, was Berlioz freudig begrüßte. Allerdings verhinderte sein schneller Tod, dass er diese Ideen umfassend weitergeben konnte. Die begrenzte Wirkung deutet vielleicht auch die Vorderseite der Kassette an, die offene Türen zeigt, aber keinen Blick nach draußen zulässt.
Den Anfang des Programms machen ein Streichquartett und ein Quintett in der weniger häufigen Besetzung mit zwei Bratschen und nur einem Cello neben den beiden Geigen.
Den Abschluss bilden zwei Trios. Das in der Reifezeit entstandene Klaviertrio reicht im Tonfall schon deutlich hinüber in die Romantik. Eine allein schon von der Besetzung her besondere Komposition ist das Trio für drei Violoncelli, das Reicha als Connaisseur und auch Verehrer dieses Instruments, da er abwechselnd allen drei Stimmen sowohl stimmführende als auch begleitende Rollen über die gesamte Breite des möglichen Tonraums zuordnet.
Die jungen Musiker der ‘Chapelle Musicale Reine Elisabeth’ lassen Reichas Musik in jugendlich frischen, kräftigen Farben leuchten. Ihre Interpretation sind nicht nur technisch gut, sie sind auch musikalisch ausdrucksstark.
Für die Klavierwerke wurden drei Pianisten gewählt, die sicher die technischen Anforderungen meistern und dadurch genügend Raum für die gestalterische Durchdringung der Stücke haben. Das Klaviertrio wird vom französischen ‘Trio Medici’, ‘Artist in Residence’ an der’ Chapelle’, bereits mit versierter Sicherheit und dem Blick für die Gesamtgestaltung des halbstündigen Werkes gespielt.
Das aus Mitgliedern der gleichnamigen großen französischen Musikerfamilie besetzte ‘Quatuor Girard’, das ebenfalls ‘Artist in Residence’ in Waterloo ist, zeigt nach bei einigen Quartetten genossener Weiterbildung und etlichen Wettbewerbs-Preisen im Quartett und im Quintett, hier mit Tanguy Parisot verstärkt, eine reife Darstellung, die unmittelbar durch ihre Musikalität und Aussage überzeugt.
Das Zuhören beim Trio für drei Violoncelli leidet unter störenden (Atem?)-Geräuschen, ansonsten aber überzeugt die Interpretation mit einem von den Protagonisten überzeugend dargebotenen, sonoren und trotzdem beschwingten Klang.