Antonio Salieri wird auch heute noch oft in Abgrenzung von Mozart definiert. Dass er ein hochangesehener und guter Künstler war und Lehrer vieler Komponisten, wie beispielsweise Beethoven, wird übersehen. Sein umfangreiches Opernschaffen weist drei französische Werke auf, davon mit ‘Les Danaïdes’ und ‘Tarare’ hochangesehene Schöpfungen. Die ‘Tragédie lyrique Les Horaces’, Text von Nicolas-François Guillard nach ‘Horace’ von Pierre Corneille, fand bei den Uraufführungen in Fontainebleau, Versailles und der Pariser Oper keinen Anklang. Vor allem Sujet und Textbuch waren die Auslöser. Die gelungene Komposition kann die Schwächen des Librettos nicht überdecken. Das Werk kreist nur um den Konflikt zwischen Liebe und Staatspflicht, ist düster, und die Personen sind eindimensional gezeichnet. Dazu ist die Oper mit knapp 90 Minuten recht kurz, und es gibt nur wenige Arien und Ballette. Das alles war für das Publikum in Paris zu wenig.
Die Handlung beleuchtet eine Fehde zwischen Rom und ihrer Nachbarstadt Alba Longa. Um Blutvergießen zu vermeiden, soll ein Stellvertreterkampf zwischen Drillingen aus beiden Heeren den Krieg entscheiden. So treten auf römischer Seite die Horatier und für Alba Longa die Curiatier gegeneinander an. Nach dem Tod zweier Römer greift der überlebende Horatier zu einer List und kann die drei Curiatier töten; Rom siegt. Dazu kommt der Erzählstrang der Liebe zwischen Camilla, der Schwester des Horatiers, und ihrem Verlobten Curiatius, von allen begrüßt, die durch den Krieg jäh endet.
Diese Ausgrabung ist einmal mehr Christophe Rousset und seinem Ensemble ‘Les Talens Lyriques’ zu verdanken. Wie gewohnt lässt er die Musiker die Nuancen der Partitur gekonnt ausreizen. Immer wieder schafft er es, dem Orchester im richtigen Moment die passenden Farben zu entlocken und die Tempi punktgenau in der Balance zu halten.
Auf dieser Basis können die Sänger ihre Rollen großartig ausfüllen. Die weibliche solistische Singstimme, Judith van Wanroij, weiß Trauer, Verzweiflung und Enttäuschung in den lyrischen Szenen wie auch die kraftvoll-pathetischen Passagen dergestalt vorzutragen, dass sie das Publikum in die Gemütsbewegungen hineinzieht. Sie präsentiert sich als differenzierte und bewegliche Vertreterin ihres Fachs. Cyrille Dubois als Curiatus zeigte sich genauso voller sängerischer Qualität. Insbesondere die Duette mit seiner Verlobten sind dabei von einer überzeugenden Leichtigkeit und Feinheit, sodass das Zuhören ein reiner Genuss ist.
Julien Dran in der Rolle des jungen Horatius steht dem Liebespaar kaum nach. Er beherrscht Rolle und Fach. Eindrucksvoll gelingt auch Jean-Sébastien Bou mit seinem tiefschwarzen Bass die Rolle des alten Horatius. Er ist klanglich äußerst präsent, auch er meistert den Spagat zwischen Dramatik und Lyrik.
Die durchgängig den Chor unterstützende Eugénie Lefebvre als Vertraute von Camilla gehört ebenfalls zu den Pluspunkten. Und der Chor selbst, ‘Les Chantres du Centre de musique baroque de Versailles’, kann insbesondere in den Schreckensszenen eine ungewöhnliche Dramatik zum Ausdruck bringen, erstaunlich für einen klein besetzten Chor. Dabei sind zeit- und repertoiregemäß sechs Countertenöre, keine Altistinnen zu erleben.
Die technische Realisierung weist keine Schwächen auf.