Hans Werner Henzes Oper Der Prinz von Homburg auf einen Text von Heinrich von Kleist, den Ingeborg Bachmann für das Libretto aufbereitet hat, handelt von einem Träumer. Dieser Prinz von Homburg beschäftigt sich, während der Angriffsplan für die Schlacht verkündet wird, mit dem roten Handschuh der Nichte des Kurfürsten, seines Kriegsherrn. Der Handschuh erinnert ihn an einen Traum, in dem er die schöne Prinzessin als seine Braut angesprochen hatte. Entsprechend verwirrt, leistet sich der Prinz dann bei der Schlacht den schlimmen Fehler, schon vor Empfang des Befehls zum Angriff zu blasen. Zwar gelingt ihm damit ein militärischer Erfolg, aber er wird dennoch zum Tode verurteilt. Nur weil er schließlich seine Verfehlung eingesteht und sich einsichtig zeigt, entgeht er der Vollstreckung und bekommt obendrein tatsächlich Prinzessin Natalie als Braut.
Henze hat dieses bereits 1960 entstandene, Stravinsky gewidmete Werk 1991 überarbeitet, und diese stringenter geformte Version erklingt hier. Für Henze ist es so etwas wie eine Utopie: Nicht Sach- und Systemzwänge, weder Funktionen noch Dienstgrade bestimmen die Beziehungen der Menschen, sondern Träume, Gefühle und Unachtsamkeit. Diesen Traum genießt Henze mit Zwölftontechnik, verzwickten Rhythmen, metrischen Wechseln, großen Klangfarben und Virtuosität.
Cornelius Meister, dessen erstes Operndirigat Henzes Pollicino war, lässt die Muskeln spielen und mildert den Furor zwischen Zwölftontechnik und Seriellem kaum. Und er hält das Geschehen und die Mitwirkenden in Dauerspannung. Allerdings baut er die Steigerungen, gerade beim Kriegsbild, sehr schnell auf, so dass die großformatigen Ensembles wenig differenziert geraten. Aber er arbeitet andererseits die Belcanto- Momente heraus und lässt so den Gesangsstimmen ihren Freiraum.
Prinzessin Natalie von Vera-Lotte Böcker ist mit ihrer wunderbaren Höhe äußerst präsent. Helene Schneiderman zeigt eine robuste Kurfürstin. Die drei männlichen Hauptrollen rangieren, was Diktion und Phrasierung angeht, gleichwertig nebeneinander. Moritz Kallenberg als Graf Hohenzollern ist ein beweglicher, ungemein präzise singender Tenor. Robins Adams’ Homburg erklingt mit markantem Bariton, zeigt aber auch introvertiert sensible Momente.
Stefan Margita zeigt sich als Kurfürst ungeheuer präsent, artikuliert klar rhetorisch gehärtet und gibt seinen Gesangslinien Schwerelosigkeit. Stets behaupten sich die Menschen gegenüber dem Apparat. Die Aufführung wird von dem singenden Ensemble getragen, das sich den hohen Anforderungen des Werkes bereitwillig gewidmet zu haben scheint.