Mieczyslaw Weinberg: Violinkonzert op. 67 + Sonate op. 69 für 2 Violinen; Gidon Kremer, Madara Petersone, Violine, Gewandhausorchester Leipzig, Daniele Gatti; 1 CD Accentus ACC30518; Aufnahme 12/2019 + 02/2020, Veröffentlichung 01/2021 (51'04) – Rezension von Uwe Krusch
Für die Rezeption seines Werkes hat sich Mieczyslaw Weinberg einstmals selbst ein Bein gestellt, als er sich als Schüler von Shostakovich bezeichnet hat. Damit galt er als purer Nachahmer. Dass diese Stimme jedoch sehr eigenständig ist, entdecken viele erst in jüngerer Zeit, so auch Gidon Kremer. Erst jetzt im achten Lebensjahrzehnt setzt sich Kremer umso intensiver mit diesem Komponisten auseinander.
Weinberg macht es dem Publikum nicht leicht. Sein Violinkonzert ist zwar violinistisch gestaltet, mit elegischer Melodik und klagender Lyrik. Aber die Atmosphäre ist gedämpft und das Ende verhalten verstummend. Es vermeidet virtuose Effekte und rückt den Solisten nicht in den Vordergrund. Seine ebenso kraftvollen wie derben Themen gehen ein Wechselspiel mit introvertierten Passagen ein, die wiederum von balladenhaften Melodien abgelöst werden. Ein biografischer Bezug scheint nahe zu liegen, sind doch Lebensmut, Zerrissenheit wie auch Einsamkeit hörbar.
Kremer, der selber genügend biografische Nähe zum Sowjetregime hat, schildert diese Musik mit einem berührend introvertierten Spiel, das sich ausschließlich in die Musik vertieft. Er macht die unglaubliche Intensität, die Weinberg mit seiner Musik etwas ausdrücken wollte, ebenso deutlich wie er die Zerbrechlichkeit und Transparenz dagegen stellt. Im Ganzen, insbesondere im langsamen Satz, hat das Werk einen melancholisch-versunkenen Tonfall, den Kremer einfühlsam artikuliert. Das Doppelbödige eines Shostakovich ist Weinberg fremd, allerdings weist Kremer auf Verschlüsselungen in manchen Werken, etwa dem Violinkonzert, hin. Mit jedem Ton macht Kremer deutlich, wie nah ihm diese Musik ist und für wichtig er sie hält. Außerdem wählte er langsamere Tempi als etwa Ilya Grubert mit seiner beinahe zwei Jahrzehnte zurückliegenden Aufnahme und schafft es dadurch zusätzlich, alles Plakative zu unterdrücken.
Vor knapp einem Jahr spielte Kremer das Violinkonzert mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter der Leitung von Daniele Gatti im Rahmen einer Konzertreihe zum 100. Geburtstag des Komponisten ein. Mit seinem typischen Klang fügt das Ensemble die oftmals dunkel temperierten Partien hinzu. Es erweist sich einmal mehr als aufmerksamer und nahtlos mitgehender Klangkörper, der etwa mit feinen Bläsereinwürfen zu überzeugen weiß.
Das 1959 vollendete Konzert zeichnet sich durch große symphonische Struktur und seine für ein Konzert unübliche Gestalt mit vier Sätzen aus. Ebenfalls 1959 komponierte Weinberg die Sonate für zwei Violinen op. 69.
Diese Sonate hat Kremer mit der lettischen Geigerin Madara Petersone, Konzertmeisterin der Kremerata Baltica, aufgenommen. Beide Musiker eint hier eine sich umspielende traute Zweisamkeit aus, die auch in diesem Werk die tiefen und nachdenklichen Seiten erforscht. Gleichzeitig zeigen sie ehrlich und aufrichtig, dass es keine Spekulation in dieser Musik gibt.
Mieczyslaw Weinberg once tripped himself up for the reception of his work when he described himself as a student of Shostakovich. He was thus regarded as a pure imitator. However, many, including Gidon Kremer, have only recently discovered that this voice is very independent. It is only now, in the eighth decade of his life, that Kremer is dealing with this composer all the more intensively.
Weinberg does not make it easy for the audience. His Violin Concerto is indeed violinistic in style, with elegiac melodicism and plaintive lyricism. But the atmosphere is subdued and the ending restrainedly muted. It avoids virtuoso effects and does not place the soloist in the foreground. Its themes, as powerful as coarse, enter into a contrast with introverted passages, which in turn are replaced by ballad-like melodies. A biographical reference seems obvious, since courage to face life, turmoil and loneliness are audible.
Kremer, who himself has sufficient biographical proximity to the Soviet regime, portrays this music with a touchingly introverted playing that immerses itself exclusively in the music. He makes the incredible intensity that Weinberg wanted to express with his music just as clear as he contrasts it with its fragility and transparency. On the whole, especially in the slow movement, the work has a melancholy, sunken tone that Kremer articulates sensitively. The ambiguity of a Shostakovich is unknown to Weinberg, though Kremer does point out ciphers in some works, such as the Violin Concerto. With every note, Kremer makes clear how close this music is to him and how important he considers it. In addition, he chose slower tempos than, for example, Ilya Grubert in his recording from almost two decades ago, and thus additionally manages to suppress anything placative.
Kremer recorded the Violin Concerto almost a year ago with the Leipzig Gewandhaus Orchestra under the direction of Daniele Gatti as part of a series celebrating the composer’s 100th birthday. With its typical sound, the ensemble adds to the often dark-tempered parts. Once again, it proves itself to be an attentive and seamlessly moving ensemble.
Completed in 1959, the concerto is characterized by its large symphonic structure and its four-movement form, which is unusual for a concerto. Weinberg also composed the Sonata for Two Violins op. 69 in 1959.
Kremer recorded this sonata with the Latvian violinist Madara Petersone, concertmaster of the Kremerata Baltica. Both musicians form a superb duo, exploring the deep and thoughtful sides of this work. At the same time, they honestly and sincerely show that there is no speculation in this music.