Die Etüde Chasse-neige (Schneegestöber), mit der Giovanni Bertolazzi sein Programm beginnt, klingt nervös und bedrohlich und wird gesteigert, ohne je brutal zu werden. Darauf folgt die eher selten zu hörende Fassung für Soloklavier des Totentanzes. Bertolazzi differenziert den Variationenzyklus sehr fein und stellt virtuose, zum Teil sehr erregte Klänge gegen ruhige, reflektive, manchmal auch poetische. Stupend sind die Klarheit, der klangliche Reichtum und die Ausdrucksvielfalt, die der Italiener erzielt. Das ist kein tobender Totentanz, sondern ein schillerndes Porträt des Todes, das letztlich nicht wirklich dämonisch wird. Vielleicht war es ja gerade das Dämonische, das Liszt vermeiden wollte.
Nach dem introvertierten Recueillement kommt die Campanella, sehr tänzerisch, sehr verspielt, zunächst mit unwiderstehlichem Charme, ehe dann die brillante Virtuosität dominiert.
Sehr schön, einfühlsam, fast impressionistisch erklingt die Konzertetüde Un sospiro, gefolgt von der Bach-Bearbeitung ‘Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen’. Wunderschön geatmet, perfekt gesteigert und vor allem sehr lyrisch, am Ende direkt verklärt, beschließt Isoldens Liebestod das Programm der ersten CD.
Als hervorragender Liszt-Interpret zeigt sich Bertolazzi auch in denen beiden Rhapsodien Nr. 2 und 12. Er meistert alle technischen Herausforderungen, und auch sein interpretatorisches Gespür ist hervorragend. Seine Kontrolle und sein subtiler Einsatz von Dynamik, zusammen mit seinem geschickten Umgang mit dem Pedal, sind exzeptionell. Ein weiterer Höhepunkt der CD ist die Spanische Rhapsodie, deren Facettenreichtum Bertolazzi spektakulär anlegt. Absolut faszinierend sind die Räumlichkeit und die Klarheit des aufgenommenen Klangs.
Bertolazzi beschließt sein Programm mit der Valse Triste von Franz von Vecsey in der Bearbeitung von Georges Cziffra. Er mag nicht ganz die Tiefgründigkeit von Cziffras eigener Einspielung erreichen, aber immerhin eine spürbare Nostalgie, die uns stimmungsmäßig schon eher an Piazzolla erinnert. Erstaunlich sind auch die Klarheit des Spiels und die Klangpracht des Borgato-Flügels (siehe dazu auch die untenstehende Rezension).
Wie schon Bertolazzis erste Liszt-CD zeigt auch diese, dass der junge Pianist Liszt versteht, sich in seinen Werken zu Hause fühlt und seinen breit gefächerten Kompositionsstil voll und ganz beherrscht.
Er vermeidet Extreme und Effekthascherei, spielt intelligent ungemein transparent und gleichzeitig nie kühl, seine Akkorde klingen nie hart oder perkussiv, sondern bieten Nuancen und klangliche Schattierungen, um der Musik auch den nötigen Ausdruck zu verleihen.
The Etude Chasse-neige (Snowstorm), with which Giovanni Bertolazzi begins his program, sounds nervous and threatening and is increased without ever becoming brutal.
This is followed by the rather rarely heard version for solo piano of the Dance of Death. Bertolazzi differentiates the cycle of variations very finely, setting virtuosic, sometimes very excited sounds against quiet, reflective, sometimes poetic ones. The clarity, tonal richness and expressive variety the Italian achieves are stupendous. This is not a raging dance of death, but a dazzling portrait of death that ultimately does not become truly demonic. Perhaps it was precisely the demonic that Liszt wanted to avoid.
After the introverted Recueillement comes the Campanella, very dance-like, very playful, at first with irresistible charm before brilliant virtuosity dominates.
The concert etude Un sospiro is very beautiful, sensitive, almost impressionistic. It is followed by the Bach arrangement ‘Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen’. Beautifully breathed, perfectly increased and above all very lyrical, directly transfigured at the end, Isolden’s Liebestod concludes the program of the first CD.
Bertolazzi also shows himself to be an outstanding Liszt interpreter in the two Rhapsodies No. 2 and 12. He masters all the technical challenges, and his interpretive flair is also outstanding. His control and subtle use of dynamics, along with his skillful handling of the pedal, are exceptional. Another highlight of the CD is the Spanish Rhapsody, whose rich facets Bertolazzi lays out spectacularly. Absolutely fascinating are the spaciousness and clarity of the recorded sound.
Bertolazzi concludes his program with the Valse Triste by Franz von Vecsey in Georges Cziffra’s arrangement. It may not quite achieve the profundity of Cziffra’s own recording, but at least there is a palpable nostalgia that already reminds us more of Piazzolla in terms of mood. The clarity of the playing and the sonic splendor of the Borgato grand piano are also astonishing (see the review below).
Like Bertolazzi’s first Liszt CD, this one shows that the young pianist understands Liszt, feels at home in his works, and has full command of his wide-ranging compositional style.
He avoids extremes and showmanship, plays intelligently with immense transparency and at the same time never coolly, his chords never sound hard or percussive, but offer nuances and tonal shadings to also give the music the necessary expression.