Die drei letzten Klaviersonaten sowie drei Klavierstücke D. 946 sind die Stücke, die der deutsche Pianist Alexander Lonquich auf seinem jüngsten Doppelalbum spielt. Die zum absoluten Spätwerk gehörenden Sonaten sind für jeden Pianisten ein Hochgebirge, dass er zu bewältigen hat. Das liegt allein schon an den weitgedehnten Maßen dieser Kompositionen. Aber auch die inhaltliche Durchdringung löst Denksportaufgaben aus.
Lonquich, dessen Musikalität vielleicht ein wenig im Schatten anderer Namen steht, legt hier eine sehr persönliche Sicht vor, die sicherlich nicht aus dem luftleeren Raum kommt. Frühere Sichten, wie die einfache von Serkin, die feinteilige Zerlegung durch Richter, poetische Angänge wie von Lupu und noch andere Ansätze legen eine breite Palette vor. Das zeigt aber wieder einmal, dass die Interpretation immer verschiedene Wege zulässt, von denen man einen mögen kann oder auch nicht, aber als falsch sind sie meist nicht zu bezeichnen.
Lonquich geht die Ausdeutung mit der c-Moll Sonate sehr nachdenklich, gewissermaßen tastend an und scheint sich erst im Verlauf eines gespurten Weges sicher zu sein. Dann aber gestaltet er dosiert schwebende Konstrukte, die ihren Charme durch feingestaltete Nuancen entfalten. Auffallend, sicherlich auch durch glasklar technisch eingefangene, aber nicht spröde Töne begünstigt, ist sein sehr feines und hallarmes Spiel, das fein geschnitzte Skulpturen bestaunen lässt.
Hört man im Vergleich dazu die B-Dur Sonate in der gut zwanzig Jahre alten Aufnahme von Andras Schiff, so fallen direkt im Vergleich der viel dickere halligere Klang und ein selbstbewusst gerader wirkendes Entwickeln der Strukturen auf. Gegenüber Schiff, dem ja auch ein großes Verständnis für die Sonaten von Schubert attestiert wird, agiert Lonquich als Feinmechaniker feingliedrigster Formen, die wie beim Ineinandergreifen eines ausgereiften Uhrwerks ein meisterhaft genau laufendes Werk ergeben. Hört man den Moment, wirkt manches geradezu instabil schwankend, anderes irrwitzig virtuos rasant. Aber das Gesamtbild ergibt dann eher eine mittelgebirgische Landschaft, die durch wellige statt zackenbekrönte und mehr bezaubernde als atemberaubende Ausblicke jede hochgebirgige Anstrengung vergessen lässt.
Diese im wahrsten Sinne gereifte und reife Leistung wirft ein überzeugendes Licht auf die großen späten Sonaten und gönnt mit den drei Klavierstücken eine weder formal noch interpretatorisch gar nicht kleine Entspannung zum Abschluss.