Johann Sebastian Bach: Goldberg-Variationen BWV 988 (Version für Kammerorchester von Jozef Koffler); Royal Academy of Music Soloists Ensemble, Gäste von The Glenn Gould School, Trevor Pinnock; 1 CD Linn CKD 609; Aufnahme 05/2019, Veröffentlichung 02/10/2020 (79'38) – Rezension von Uwe Krusch
Diese Aufnahme erinnerte den Rezensenten an die rezente Einspielung des Messias in der Bearbeitung von Mozart. Trotz aller Unterschiede wurden insofern ähnliche Wege beschritten, als weitere Bläserstimmen hinzugefügt wurden, hier Flöte, Oboe, Englischhorn und Fagott, die sich zu den Streichern hinzugesellen. Das Ergebnis führt zunächst zu einem ähnlichen klassischen Höreindruck, der die manchmal auch spröde und schwer zugänglich erscheinende Musik von Bach glättet und damit ein charmanter geglättetes Hörerlebnis bietet. Hier liegen die Dinge noch einmal anders, als das ursprüngliche Werk bekanntlich eine Komposition für ein Cembalo mit zwei Manualen ist. Heute sind verschiedene Besetzungsbearbeitungen zugänglich, die jeweils mehr oder weniger Anpassungen erforderten. In dieser Fassung, die Jozef Koffler 1938 schuf, spielt auch noch die Komponente eine Rolle, dass der Blick dieser Zeit auf Bach noch ein völlig anderer war, als wir ihn heute haben. Zu dieser Zeit gab es nur eine wichtige Interpretin des Originals, die ebenfalls aus Polen stammende Wanda Landowska. Ihre Aufnahme auf einem aus heutiger Sicht inakzeptablen, fiepsenden Cembalo bleibt trotzdem initialzündend.
Auch hier stellt sich die Frage, wie die Bearbeitung einzuordnen ist. Zunächst einmal bot sie dem zu dieser Zeit schon verfolgten Knoffler, dessen Elternhaus ein jüdisches war, eine Möglichkeit, sich einer unauffälligen musikalischen Arbeit zu widmen, nachdem er schon bei Stalin in Ungnade gefallen war. Sein eigenes Werk ist weitgehend verloren oder unerforscht.
Mit Trevor Pinnock hat ein langjähriger Vertreter der historisch informierten Praxis das Royal Academy of Music Soloists Ensemble mit Gästen der Glenn Gould School aus Toronto angereichert und mit diesen das Werk erarbeitet. Dabei haben sie Wert darauf gelegt, wiederum ihre eigene Herangehensweise zu finden, die einerseits aus heutiger Sicht erfolgt, aber auch die Arbeit Kofflers berücksichtigt.
Zunächst wird man sagen können, dass die Integration der jungen Musiker aus Kanada, die erste Schritte nach dem Studium beschreiten, in die Streichersektionen nahtlos ist und keine Brüche nach sich zieht. Dieser Zwitter aus Barock und Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts erfordert noch mal eine andere Spielweise als das rein barocke Repertoire. Dem Ensemble gelingt es ganz wunderbar, diesen Spagat zu bewerkstelligen, ohne sich zu verrenken. Das Spiel ist schlackenlos feinfühlig und transparent. Insofern bestehen keine Gründe, an dieser Aufnahme zu mäkeln. Die Interpretation wird auch durch ein angenehm leichtes Klangbild unterstützt, das alle Instrumente gleichberechtigt und plastisch darstellt.
Wie schon angedeutet, erzielt Koffler ein klassisch inspiriertes Klangbild, das sehr elegant und zugänglich die Musik transportiert. Es nimmt damit aber auch den gewohnten Charakter aus der Musik, der denn als typisch für Bach angesehen werden kann. Weniger geübte Klassikhörer mögen das schätzen. Ich bevorzuge dann doch das Original oder andere Adaptionen.
This recording reminded the reviewer of the recent recording of the Messiah in Mozart’s arrangement. https://www.pizzicato.lu/messias-doppelt-neu-beleuchtet/. Despite all the differences, similar paths were taken, because additional wind parts were added, flute, oboe, cor anglais and bassoon, which join the strings. This leads to a similar classical listening impression, smoothing out Bach’s sometimes brittle and difficult to access music by providing a charmingly smoothed listening experience. Here things are once again different, as is well known, from the original work, which is a composition for a harpsichord with two manuals. Today, various instrumentation arrangements are available, each of which required more or less adjustments. In this version, which Jozef Koffler created in 1938, it is also important to note that the view of Bach at that time was completely different from the one we have today. At that time There was only one prominent interpreter of the original version, Wanda Landowska, also from Poland. Her recording on a squeaky harpsichord, unacceptable from today’s point of view, nevertheless remains an initial spark.
Here too, the question arises as to how to classify the arrangement. First of all, it offered Knoffler, who was already persecuted at the time for coming from a Jewish family, an opportunity to devote himself to inconspicuous musical work, after he had already fallen out of favour with Stalin. His own work is largely lost or unexplored.
Trevor Pinnock, a long-standing representative of historically informed practice, has enlarged the Royal Academy of Music Soloists Ensemble by guests from the Glenn Gould School in Toronto. With his musicians, he attached importance to finding an own approach, which on the one hand follows today’s view, but also takes Koffler’s ideas into account.
First of all, it can be said that the integration of the young musicians from Canada, who are taking their first steps after their studies, is seamless and does not lead to any disruptions. This mixture of baroque and thirties of the 20th century requires a different way of playing than the purely baroque repertoire. The ensemble succeeds wonderfully in managing this balance. Their playing is flawlessly sensitive and transparent. In this respect there are no reasons to criticise this recording. The interpretation is also supported by a pleasantly light and well-balanced sound.
As already indicated, Koffler achieves a classical sound that conveys the music in a very elegant and accessible way. It also takes the familiar character out of the music, which can be regarded as typical for Bach. Less practised classical listeners may appreciate this. I prefer the original or other adaptations.