Johann Sebastian Bachs ‘Goldberg-Variationen’ scheinen zurzeit Hochkonjunktur zu haben. Es vergeht kaum ein Monat, in dem wir nicht wenigstens eine Neuaufnahme zugeschickt bekommen. Und für den Monat Dezember lagen uns gleich fünf Neueinspielungen vor, von der jede für sich ihren besonderen Reiz hat und von denen mir persönlich besonders zwei im Gedächtnis bleiben werden.

cd-schorns-bach-bux-capFangen wir mit Christine Schornsheim zweiter Einspielung des Variationswerkes an. Zusammen mit Buxtehudes Aria ‘La Capricicciosa’ präsentiert uns Schornsheim das Werk in der Cembalo-Fassung. Die Interpretin kennt das Werk sehr genau, so dass kaum ein Aspekt bei ihrer Leseart verlorengeht. Die eher klassische Auslegung zielt auf eine ausgewogene und in sich stimmige Aufführung, wobei jede Variation Teil eines Ganzen ist. Leider gibt es bei dieser eher ernsthaften Auseinandersetzung keine wirklichen Aha-Momente (Capriccio C5286).

372 XViel philosophischer und weniger prägnant geht Zhu Xiao-Mei zu Werke. Auch für sie ist es die zweite Aufnahme der Goldberg-Variationen. Xiao-Meis Interpretation begeistert durch ihre unheimliche Sensibilität und Poesie und zeigt in jeder Variation, wie ein Klavier klingen kann, wenn man es streichelt (Accentus Music ACC30372).

cd-hew-goldberg2015-hyperionAuch bei ihrem zweiten Anlauf vermag Angela Hewitt zu überzeugen. Allerdings fällt ihre Interpretation sehr individuell aus, so dass sie die Goldberg-Liebhaber sicher in zwei Lager spalten wird. Man kann die harschen Staccato-Momente und die pointierten Akzente mögen oder nicht, Fakt ist, dass sie neue Perspektiven öffnen. Der Fluss der Musik wird dadurch zwar regelmäßig unterbrochen, was aber nicht unbedingt stört, eher sogar neue Fixpunkte setzt. Spieltechnisch ist Hewitt auf allerhöchstem Niveau (Hyperion CDA68146).

cd-goldberg-guenter-genuinpizzicato-supersonic-int-jpgUnbeschwert und mit jugendlicher Frische kommt Marie Rosa Günters Interpretation daher. Endlich wieder eine Pianistin, die sich unbeeindruckt von den vielen legendären Aufnahmen zeigt und dabei ihren eigenen Weg geht. Humor, Augenzwinkern, aber auch emotionale Tiefe und spieltechnische Brillanz Zeichen diese in allen Punkten quicklebendige Aufnahme aus, die man von vorne bis hinten mit Genuss und Staunen hört. (Genuin 16435).

 

pizzicato-supersonic-int-jpgWas Maria Rosa Günter auf dem Klavier macht, das macht Mahan Esfahani auf dem Cembalo. Der Cembalist geht herrlich respektlos mit dem Mythos ‘Goldberg-Variationen’ um, zeugt dabei dem Komponisten aber sehr viel Respekt. Mit Esfahani begeben wir uns auf eine musikalische Reise voller Höhen und Tiefen. Esfahani erzählt Geschichten aus dem Leben und das auf eine sehr schlichte und immer ansprechende Art und Weise. Dabei ist er (wie auch Maria Rosa Günter) der Welt des Jazz sehr nahe. In beiden Einspielungen hat man oft den Eindruck, virtuosen Improvisationen beizuwohnen. (Deutsche Grammophon 4795929)

Es ist also für jeden etwas dabei: Schornsheim klassisch und linientreu,  Xia-Mei poetisch und schön, Hewitt individuell und sperrig, Günter mit jugendlichem Elan und Mahan Esfahani mit phantasievoller Erzählkunst. Ich persönlich entscheide mich ohne zu zögern für die Aufnahmen von Maria Rosa Günter und Mahan Esfahani, die beide die Supersonic -Auszeichnung verdient haben.

 

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