Das Goldmund Quartett – Florian Schötz, Pinchas Adt, Christoph Vandory und Raphael Paratore – wird zu den bedeutendsten Nachwuchsmusikern Deutschlands gezählt. Mehr Information gibt es hier im Pizzicato-Beitrag. Am 12. November spielt das Quartett in der Luxemburger Philharmonie. Alain Steffen hat sich mit den Musikern unterhalten.
Vor einigen Jahrzehnten noch war die Gattung Streichquartett fast ausschließlich die Domäne reiferer, älterer Herren. Seit einer gewissen Zeit sind es vor allem junge Ensembles, die dem Streichquartett ein neues Leben einhauchen. Wie ist es eigentlich zu diesem Wandel in der Rezeptionsgeschichte der Kammermusik gekommen?
Ich denke, es ist irgendwie eine gesamtgesellschaftliche Sache, dass die Musikstudenten nicht mehr unbedingt sofort ins Orchester wollen, sondern selbst als Interpreten ihren Weg finden und somit die Musik aktiv in einem kleinen Ensemble heraus selbst gestalten können. Kammermusik und eben das Streichquartett sind in dieser Hinsicht eine ideale Balance aus Ensemblegeist und solistischem Spiel. Darüber hinaus ist aber auch gerade das außermusikalische Umfeld sehr wichtig. Für uns junge Musiker ist es enorm wichtig, als eine Gruppe mit ihrer eigenen Dynamik zu wachsen und sich den alltäglichen Herausforderungen beispielsweise über Konzertorganisation, Proben und Medienarbeit zu stellen. Es ist eigentlich der Tiefe Wunsch und das Bedürfnis nach Mitgestaltung.
Woher stammt der Name Goldmund denn?
Der stammt noch aus unserer Schulzeit. Wir alle haben Hesses Buch Narziss und Goldmund gelesen, das ja Pflichtlektüre war. Goldmund ist bei Hesse ja der Künstler- und Freigeist. Er bricht aus dem Kloster aus, geht auf Wanderschaft, strebt nach dem Idealen. Eigentlich macht er das, was wir auch tun. Da gibt es schon Parallelen. Wir lernen von unseren Professoren, brechen auf, um Konzerte zu geben und streben natürlich in unserem Spiel die bestmögliche Qualität an. Und dann fanden wir den Namen einfach schön.
Sie werden von der Vereinigung Europäischer Konzertsäle gefördert. Das ist eine besondere Chance, aber auch eine besondere Verantwortung…
Es ist ja nicht so, dass wir jetzt erst entdeckt werden und unsere ersten Schritte auf den Bühnen machen. Wir spielen schon lange zusammen und haben natürlich auch Konzerterfahrung. Die Rising Stars-Auszeichnung sehen wir als Teil unserer Entwicklung. Die Wettbewerbe haben wir abgeschlossen und nach und nach arbeiten wir uns nach oben. Natürlich freuen wir uns sehr, von den Sälen ausgewählt worden zu sein, zum einen, weil unsere Art Musik zu machen anerkannt wird, zum anderen, weil durch diese Auszeichnung in den besten Konzertsälen und vor einem wirklich kundigen Publikum spielen dürfen. Aber prinzipiell ändert die Situation oder Saal jetzt nichts an der Konzertvorbereitung.
Ihre Programme enthalten oft Werke von sehr verschiedenen Komponisten…
Und ist es wichtig, in unseren Konzerten eine gewisse Bandbreite zu zeigen und uns nicht auf einen Komponisten zu fokussieren. Für uns ist es sehr spannend, Werke aus verschiedenen Epochen gegenüberzustellen und zu zeigen, wie unterschiedlich und vielseitig Quartettmusik doch sein kann.
Welche Wichtigkeit nimmt für Sie die zeitgenössische Musik ein?
Eine sehr große! Für uns ist es sehr wichtig und einfach selbstverständlich, zeitgenössische Werke zu spielen. Wie sonst soll das Publikum von heute kennenlernen, wenn wir Musiker sie nicht spielen. Wir sind momentan in einer unglaublich spannenden Phase, weil die zeitgenössische Musik so unterschiedlich klingt. Auf unserer nächsten CD spielen wir nur zeitgenössische Musik und versuchen dabei, eben gerade diese Vielseitigkeit in den Vordergrund zu stellen. Da gibt es dann beispielsweise Wolfgang Rihm, der die deutsche Avantgarde vertritt, mit seiner sehr direkten, harten Klangsprache, und Holly Harrison, eine australische Komponistin, die mit einem Rockmedley vertreten ist, wo sich dann Bluegrass, Punkabilly oder Heavy Metall auf ein Streichquartett übertragen werden. Dann ist Fazil Say mit seinen türkisch-folkloristischen Klängen dabei. All diese vielseitigen und ungemein bereichernden Stile wollen wir auf dieser CD transportieren und dem Hörer nahebringen. Denn nie war die Musik so vielseitig wie heute.
Haydn haben Sie bereits auf CD aufgenommen, Shostakovich ebenfalls. Wie wichtig sind heute noch CDs für junge Künstler, wenn man bedenkt, dass all diese Werke von vielen renommierten Ensembles bereits aufgenommen wurden.
Das Interesse an CDs ist in erster Linie sicherlich nicht finanzieller Art, denn jeder weiß inzwischen, dass man mit CDs heute im Gegensatz zu früher kein Geld mehr verdienen kann. Für uns junge Musiker steht das künstlerische Element tatsächlich im Vordergrund und wir müssen dann auch zeigen, was wir können. Die Haydn- oder Shostakovich-Quartette existieren schon in vielen hervorragenden Aufnahmen. Um dann als noch größtenteils unbekanntes Ensemble auf sich aufmerksam zu machen, da muss man schon eine künstlerisch wertvolle und musikalisch überzeugende Interpretation hinlegen. Eine CD ist heute trotzdem mehr als nur eine künstlerische Visitenkarte; als Tonträger ist sie eine für die Allgemeinheit zugreifbare musikalische Bibliothek. Und sie stellt, beispielsweise nach einem Konzert, durch den Verkauf einen direkten Bezug zwischen dem Erlebten, dem Künstler und dem Zuhörer dar.
Sie haben u.a. bei Mitgliedern des Alban Berg Quartetts studiert, ein Ensemble, das ja noch einer anderen Interpretationsepoche entstammt. Was haben ihnen diese Musiker mitgeben?
Wir haben sehr lange bei diesen Musikern gearbeitet. Obwohl sie sehr unterschiedlich arbeiten, haben sie sehr viel Wert auf den Klang gelegt. Etwas so gut wie möglich klingen zu lassen. Und auch, dass nie etwas einfach nur so gespielt wird. Jede Note muss ihren Wert und ihren Platz bekommen. Und das war damals genauso gültig wie heute. Anders verhält es sich mit dem Stilgefühl, das natürlich zu der großen Zeit des Alban Berg Quartetts ein anderes war als heute. Wir haben in den Jahren mit sehr vielen Meistern zusammenarbeiten können und haben verschiedene Stile und Ansichten kennengelernt. Daraus haben wir dann nach und nach unsere eigene Spielweise entwickelt, die natürlich auch ein Spiegel unserer Zeit ist. Wichtig ist es, all diese Einflüsse aufzunehmen und zu verarbeiten, dabei unseren eigenen Stil, mit Betonung auf ‘eigenen’ zu entwickeln und nicht einfach zu versuchen, andere Spielweisen zu kopieren. Und nicht zu vergessen: die Texttreue. Eine Interpretation muss dem Werk, nicht den Interpreten dienen. Wir sehen uns dann auch in der Tradition der deutschen Schule mit ihrem, klaren, präzisen und artikulierten Spiel. Trotzdem versuchen wir aber auch, den Spielstil der französischen und amerikanischen Schule zu integrieren. Bei den Franzosen sind es fein ziselierten Phrasierungen, bei den Amerikanern ist es ein vollmundiger, großzügiger Klang. Und wenn man versucht, all dies auf eine gesunde Weise zu mischen, dann findet man oft sehr interessante und neue Klangfarben.
Und dieser Klang bleibt ja auch nicht gleich, sondern entwickelt sich weiter. Wir haben heute beispielsweise einen ganz anderen Klang als noch auf der Haydn-CD zu hören ist. Stil, Klang, Spielweise, das sind alles keine festen Parameter, im Gegenteil, sie sollen und müssen sich sogar weiterentwickeln. Wenn wir als Musiker stehen bleiben würden, dann wäre es mit Sicherheit der Anfang vom Ende.
Und das Publikum mit seinen eingefahrenen Ritualen? Braucht die klassische Musik generell ein Umdenken? Ist vieles nicht in Routine erstarrt?
Wir sind ein junges Quartett und wollen natürlich auch ein junges Publikum ansprechen und begeistern. Wie eben in der Luxemburger Philharmonie, wo wir vor kurzem auch in der Loopino-Kinderkonzertreihe aufgetreten sind. Dass diese Konzerte so gut besucht sind, zeigt uns, dass die Organisatoren mit diesen pädagogischem Konzertreihen auf dem richtigen Weg sind. Kinder- und Jugendkonzertreihen gibt es heute nahezu in jedem Konzerthaus. Und gerade hier werden neue Wege ausprobiert. Diese Lust am Neuen und am Erneuern wollen wir natürlich auch einer anderen Ebene zeigen. Generell sind wir als Quartett immer offen für alle Ideen. Es ist wichtig, Neues auszuprobieren und dem Publikum auch zu zeigen: „Schaut, so können wir es auch machen.“ Allerdings gibt es überall noch die etablierten alten Konzertreihen, wo die Formen immer noch sehr streng sind und wo das Publikum auch auf diese alten Traditionen besteht. Als junges Quartett haben wir natürlich nicht die Möglichkeit, diese Formen, die einfach vorgegeben sind, aufzubrechen. Aber es gibt immer mehr junge Festivals, kleine Konzertserien und experimentelle Foren, wo man durchaus Neues ausprobieren kann. Und dann auch ein neues Publikum anzusprechen. Gerade die klassische Musik mit ihrem reichen, zeitgenössischen Angebot braucht heute ein unbefangenes Publiku