Dmitri Tcherniakovs Inszenierung von Cosi fan tutte mag vielleicht ein Gewinn für das Theater sein, sie ist aber ganz sicherlich ein Verlust für Mozart, sagt Alain Steffen, der sich eine Vorstellung im Grand Théâtre in Luxemburg angesehen hat.
Am Beginn steht eine interessante Idee: Zwei in die Jahre gekommene Ehepaare treffen sich an einem abgelegenen Ort bei einem dritten Paar und entfliehen nach und nach der Öde und Routine des Ehealltags. Ob dies am Ende wirklich gelang, kann ich leider nicht sagen, denn ich wurde schon im 1. Akt in die Flucht geschlagen.
Der Regisseur hatte sich für seine Inszenierung bewusst ein Solistenensemble zusammengestellt, bei dem jeder Sänger zwischen 50 und 60 Jahre alt und stimmlich oft schon über seinen Zenit hinaus ist. Vor allem aber sind alle Sänger diesen Mozart-Rollen, die sie früher gesungen haben und in- und auswendig kennen, längst entwachsen. Wenngleich sie auch sehr spielfreudig agierten und Tcherniakovs moderne Vision von Cosi fan tutte bestens umsetzten, so streiften sie gesanglich oft das stimmliche Desaster. « Oh Freunde, nicht diese Töne » hätte man den Sängern am liebsten zugerufen. Was in den Ensembleszenen noch funktionierte, wurde in den Arien und Duetten zur Qual. Keine korrekt gesungene Linie, brüchiger Vortrag, knapper Atem, stimmliche Einbrüche trüben das Hörvergnügen extrem, und nach Ferrandos katastrophal gesungener Arie ‘Un aura amorosa de nostro tresoro’ gab es glücklicherweise einen Vorhang, so dass ich fluchtartig den Saal verließ und mich so dieser musikalischen Qual entziehen konnte.
Nein, mit dieser Inszenierung haben die Sänger Agneta Eichenholz (Fiordiligi), Claudia Mahnke (Dorabella), Nicole Chevalier (Despina), Charles Workman (Ferrando), Russel Rown (Guglielmo) und Georg Nigl (Don Alfonso) sich und vor allem dem Mozart-Gesang wirklich keinen Dienst erwiesen. Selbst der von mir sonst hochgeschätzte Georg Nigl war gesanglich eine reine Enttäuschung und ich fragte mich: ‘Ist das wirklich Mozart??’
Im Orchestergraben dirigierte Fabio Bondi einen in den Ansätzen historisch informierten, ruppigen Mozart ohne Eleganz, ohne Schönheit und ohne Subtilitäten. Wenig Sorgfalt und Transparenz gab es auch beim Luxembourg Philharmonic, das mit einem nur korrekten und pauschalen Spiel ebenfalls kaum Freude aufkommen ließ.
Modernes Musiktheater ja, aber nur, wenn es nicht auf die Kosten der Musik und des Gesangs geht. Und in diesem Sinne ist diese Produktion von Mozarts Cosi fan tutte vom Festival d‘Aix-en-Provence, die in Zusammenarbeit mit dem Théâtre du Châtelet, den Théâtres de la Ville de Luxembourg und dem Festspielhaus Baden-Baden stattfand, musikalisch gesehen eine regelrechte Mogelpackung.