Und wieder einmal stehen wir quasi fassungslos vor dem Stimmphänomen Matthias Goerne: Kaum ein anderer Sänger kann so schön und bedeutungsvoll leise singen, kaum einer hat die Atemtechnik, um bei so wenig Volumen noch überhaupt zu singen, zu phrasieren, zu artikulieren, Spannung zu vermitteln. Das macht seine ‘Wunderhorn’-Lieder in diesem Livemitschnitt vom Luzerner Festival so exzeptionell. Die philosophische Tiefendimension der Musik Gustav Mahlers wird also hier voll erfasst und wiedergegeben, weil wir es mit einer ganz besonderen, vergeistigten und gefühlsmäßigen Identifikation zu tun haben, die Mahler vor jeder Naivität bewahrt oder seinen Liedern den Ausdruck von Wärme geben könnten. Andris Nelson kleidet die zarte Stimme in ein schillerndes und behutsames, aber detailreich formuliertes Orchesterspiel.
Den Trauermarsch in der 5. Symphonie nimmt Nelsons erstaunlich langsam, um so die stürmisch bewegten Ausbrüche des zweiten Satzes vehement zum Ausdruck zu bringen und geradezu verstörend Mattigkeit aufzuzeigen. Ein sehr tänzerisches und keckes und hoch energetisches Scherzo enthält eine extrem resignative Passage, so dass man ständig fürchten muss, die Musik höre auf zu spielen. Das ist eine der großen Momente dieser Interpretation.
Ganz langsam lädt Nelsons das Orchester wieder auf. Ein wunderbar zartes, am Anfang fast gehauchtes Adagietto führt zum jubilierenden Finale.