Ich weiß nicht, wer meine Hand führte, als ich in dieser Box zuerst zu der Schubert-CD griff, die mit einer wunderbaren Rosamunde-Ouvertüre beginnt, in deren Interpretation sich die ganze Kunst des Dirigierens von Josef Krips kondensiert. Jedenfalls haben mich der unwiderstehliche Elan, die Kantabilität, und die unvergleichliche Rhetorik der Musik in einen euphorischen Zustand versetzt. Dieses Gefühl sollte sich im zweiten Brahms-Konzert wiederholen.
Der 1902 in Wien geborene und von Felix von Weingartner ausgebildete Dirigent hatte natürlich zu Mozart und Schubert ein besonders gutes Verhältnis. Dass er gerade von einem Orchester wie dem ‘London Symphony’, das ich nicht zu den ersten Adressen für Schubert zählen würde, ein solches Resultat erreichte, ist ein unwiderlegbarer Beweis für die Ausstrahlung dieses Musikers.
Es folgen eine sehr entspannt musizierte Sechste Symphonie und eine ‘Unvollendete’, die im Kontrast zwischen einem zupackenden ersten und einem die einzigartige Melodik auskostenden zweiten Satz das Mysterium dieser Schubert-Symphonie deutlich macht.
Zwei rhetorisch wunderbar gestaltete Haydn Symphonien (Nr. 94-99) mit den Wiener Philharmonikern bilden den Inhalt der ersten CD dieser Krips-Box, die nur Aufnahmen aus den Nachkriegsjahren (und bis 1958) enthält. Sie sind deutlich energetischer als die späteren Aufnahmen von Josef Krips, und es ist, als ob sich der Dirigent, der als Sohn eines jüdischen Vaters in den Nazijahren unter Berufsverbot geriet und sein Leben sogar als Lagerarbeiter fristen musste, seine Kunst eruptiv zum Wiederaufblühen gebracht hätte.
Welch ein großartiger Mozart-Dirigent Krips war, zeigt sich in den drei letzten Symphonien, wovon die beiden ersten mit den Wiener Philharmonikern, die letzte mit dem ‘Israel Philharmonic’ aufgenommen wurden. Die Violinkonzerte Nr. 4 und 5 werden in den vorliegenden Aufnahmen vor allem von dem ganz individuell phrasierenden Mischa Elman geprägt.
Die Klavierkonzerte Nr. 24 mit dem souveränen Arthur Rubinstein und das 25. Konzert mit dem wunderbar sensiblen Edwin Fischer geben Krips die Gelegenheit, mit sehr charaktervollen Begleitungen zu glänzen. Nicht weniger gut ist die Aufnahme des 23. Konzerts mit Clifford Curzon.
Eine der stärksten Aufnahmen aus dem Set ist die der Fünften Symphonie von Piotr Tchaikovsky mit dem ‘London Symphony’, 1953 aufgenommen, also im 3. Jahr der Chefdirigentenzeit von Krips beim LSO. Diese Aufnahme ist viel eloquenter und ausdrucksvoller als die, die Krips Jahre später mit den Wiener Philharmonikern machte,
Eine ganze Beethoven-CD beginnt mit einer sehr dramatischen ‘Coriolan’-Ouvertüre und wird beschlossen von der ‘Ah! Perfido’-Arie mit der großartigen Inge Borkh als Solistin. Dazwischen dirigiert Krips das ‘Orchestre National de la Radio-Télévision Française’ im
Violinkonzert op. 61. Solist ist der damals 38-jährige Isaac Stern, der mit seinem zupackenden und gleichzeitig warmen Spiel fasziniert, im zweiten Satz auch mit einem wunderbaren Legato und einem sehr einfühlsamen Spiel, das vom Orchester erwidert wird.
Sehr schwungvoll erklingt das Rondo. Man kann schon von einer enthusiastischen Darbietung sprechen. Krips dirigiert wiederum sehr zügig, und Stern begeistert mit einer beeindruckend spritzigen Agilität.
Sehr ausdrucksvoll und kräftig dirigiert Krips die Vierte Symphonie von Robert Schumann, ein Werk, das bei ihm eine ganz besondere Rhetorik erlangt.
In seinen erfolgreichen Kollaborationen mit Artur Rubinstein ist die Aufnahme des Zweiten Klavierkonzerts von Johannes Brahms mit dem ‘RCA Victor Symphony’ ein Höhepunkt. Das Erste hatte der Pianist mit Fritz Reiner aufgenommen, doch weil er sich mit diesem Dirigenten überworfen hatte, stand für die Einspielung des Zweiten Konzerts Josef Krips am Pult. Zusammen mit dem Dirigenten gibt Rubinstein dem Konzert so viel überschäumende Spontaneität, auftrumpfende Beweglichkeit, Elan und Leidenschaft dass sich das bewahrheitet, was einmal ein amerikanischer Kritiker im Zusammenhang mit Brahms und Rubinstein notierte: ‘beardless Brahms’. Dennoch bleibt auch in diesem fulminanten Speil genügend Platz für zarte und herzliche Passagen, und das nicht nur im Andante, das hier ganz besonders warm und lichtvoll gespielt wird. Und so ist dies denn eine wirklich besondere, aber im Interpretationsspektrum wichtige Aufnahme.
Den Abschluss bilden eine exzellente Aufnahme der Vierten Symphonie von Johannes Brahms, wiederum mit dem LSO, und die legendäre Einspielung des Schumann-Konzerts mit Rubinstein und dem ‘RCA-Victor Orchestra’.
Die Transfers und digitalen Bearbeitungen sind erstaunlich gut, so dass die Aufnahmen trotz Mono-Qualität in den meisten Fällen sehr reliefreich klingen.