‘Feierlich, misterioso’: Riccardo Muti trifft den Charakter des ersten Satzes der 9. Symphonie sehr gut und streut zwischen die ernst-ehrwürdigen Passagen die kleinen lyrischen Juwelen, die Bruckner wie Wegsteine in seinem Bergsteigen gesetzt hat. So kommt eine schöne Steigerung zustande, die von Höhepunkt zu Höhepunkt führt und immer weiter ansteigt bis zum mächtigen Gipfel. Der Gang ist stetig, aber mit 26’30 Minuten relativ lang. Es gibt zwar noch längere Spielzeiten, aber diese hier befindet sich doch zwischen 21 und 32 Minuten (für die Originalfassung) deutlich auf der langsamen Seite.
Und wenn im ersten Satz die Vorgabe ‘feierlich’ so gut umgesetzt wurde, so sorgt Muti im Scherzo unbedingt für das ‘Lebhafte’, und das wendige Blech und die alerten Holzbläser des CSO helfen ihm dabei.
Das Adagio der unvollendeten Symphonie glänzt in wunderbaren Farben, und Muti und das CSO regalieren diese mit einer phänomenalen Opulenz. Der Klagegesang im Adagio gelingt dem Dirigenten gut, zum Teil schmerzvoll, aber die ‘Verklärungshöhen’ erreicht er nicht. Muti ist Italiener und bleibt erdverbunden, dem dunklen ‘Miserere’ verpflichtet.
Das Hin und Her zwischen Himmelhochjauchzen und tief betrübt, zwischen ängstlichem Vorangehen und grübelndem Stehenbleiben, zwischen Kraft und Resignation haben andere bewegender realisiert.
Und so ist diese Neunte Bruckner eher ein wichtiges Orchesterdokument als ein Dirigentendokument.