Die in Schottland spielende Familienfehde, bei der Lucia den Erzfeind Edgardo liebt, aber mit einem ‘genehmen’ Mann vermählt wird, endet mit dem Tod des Liebespaares. Zuvor hat Lucia ihren Ehemann erstochen und ist wahnsinnig geworden. Dieser Moment gab den Anlass für die bekannte Wahnsinnsarie. Mit Diana Damrau hat diese Rolle eine grandiose Besetzung gefunden. Egal, in welcher Tonhöhe sie singen muss, ihr gelingen ausdrucksvolle Gestaltungen, die durch eine ebenfalls intensive Gestik und Mimik, um nicht zu sagen Schauspielerei, ergänzt werden. Gefühlsbetonte und dramatische Momente, die dieser Rolle eher gerecht werden als schöne Koloraturen, ergeben durch Damrau ein lebensnahes Bild des Liebens und Leidens dieser Frau.
Auch die Männerrollen haben weitgehend große Sänger gefunden. Charles Castronovo als Eduardo vermittelt einerseits seine tiefe Verbundenheit mit Lucia, aber auch seine negativen Gefühle wie den Zorn gegenüber seinem Widersacher. Er ist vielleicht nicht der strahlendste Heldentenor, aber ein feinfühliger.
Der Bruder wird von Ludovic Tézier als besorgt Arrangierender dargestellt, der erst sein Gefühlsleben öffnen muss, als das Drama seinen Höhepunkt erreicht.
Kwangchul Youn gibt dem Erzieher Raimondo ein etwas distanziertes Auftreten, kann aber mit der tiefen Stimmlage seinem Auftreten Gewicht verleihen. Der vom Bruder auserwählte Bräutigam Arturo erfährt durch Taylor Stayton eine selbstsichere erwartungsfrohe Darstellung, die beim scheinbaren Vorspiel zur Hochzeitsnacht abrupt endet.
Peter Hoara als Hauptmann Normanno und Rachel Lloyd als Zofe Alisa vervollständigen das Tableau der Sänger. Chor und Orchester des ‘Royal Opera House’ sind natürlich erfahrene Recken in der Bewältigung großer Opern. Der Chor überzeugt mit Textverständlichkeit und homogenem Auftritt in den Gesellschaftsszenen, wie der Hochzeit. Das Orchester wird von Daniel Oren mit Fluss und sicherer Hand geleitet. Hier ergeben sich keine Überraschungen, vielmehr wird die Musik engagiert und die Sänger pfleglich behandelnd mit Verve und Dramatik eingebracht. Vielleicht keine Überraschung, aber auf jeden Fall positiv ist der vom Komponisten vorgesehene Einsatz der Glasharmonika in der Wahnsinnsarie, der mit diesem selten zu hörenden Klang den besonderen Seelenausbruch noch verstärkt darstellt.
Die Regie von Katie Mitchell ordnet das Geschehen im herrschaftlichen Ambiente an. Teilweise spielen zwei Handlungsstränge nebeneinander auf der Bühne, wenn etwa Enrico und Edgardo sich zum Duell verabreden und nebenan Lucia vortäuscht, ihren Bräutigam verführen zu wollen und dann erdolcht. Die Regie bietet den Figuren ein nachvollziehbares Konzept ohne aufgesetzte Mätzchen.
Von der sängerischen Seite her sicherlich eine äußerst gelungene Aufführung, die live mitgeschnitten wurde. Für den häuslichen Zuschauer eröffnet der Mitschnitt den Vorteil, mit der Kamera auch an die Szenen und auch Gesichter herangehen und so besser als vor Ort die Mimik verfolgen zu können.