Das Quintett von Max Reger, sein letztes vollendetes Werk, knüpft einerseits an das gleich besetzte Werk von Mozart an, geht aber auch andere Wege bei Gestaltung und Bearbeitung der Themen. Das Streichsextett ist allein schon von der Spieldauer her, aber auch mit seinen massiven Akkorden symphonisch angelegt. Auch hier erfahren die Themen ungewöhnliche Verarbeitungen, die eine Brücke zwischen Herkunft und Zukunft bilden. Reger selber hat einmal den langsamen Satz des Sextetts als Gebet mit dem lieben Gott bezeichnet, so dass er selber vielleicht hier sein Vermächtnis sah.
Das Diogenes Quartett, dass sich vor allem einen Namen für die Interpretation romantischer Kompositionen gemacht hat, setzt auch bei Reger auf dieser Sicht auf. Doch gehen die Kompositionen über diese Ebene hinaus und das machen die Musiker auch hörbar. Gerade auch in den für diese Werke wichtigen langsamen Sätzen kann das Quartett seine in den Jahren veredelte Spielkultur, die nicht nur das Zusammenspiel verfeinert hat, sondern auch in einem gemeinsamen musikalischen Ausdruck mündet, der ebenso samtweich wie gestaltend auffahrend erklingen kann. So erklingt das Klarinettenquintett eher weich und moderat, eine in sich ruhende Stimmung beschreibend. Das Sextett dagegen erlebt eine strömend extrovertierte Sicht, die den symphonischen Charakter ausgezeichnet spiegelt.
Als Gäste hat das Diogenes Quartett drei heutige Dozenten gebeten, die aber auch schon wie Thorsten Johanns als Soloklarinettist bei den Philharmonikern aus New York auf der Bühne aufgetreten sind. Thorsten Johanns gibt der Bläserstimme eine den melodischen Reichtum betonende Sicht. Damit wirkt er in sich gekehrt und nicht als extrovertierter Solist, was dieser Komposition gut bekommt. Mit Roland Glassl, Viola, und Wen-Sinn Yang, Cello, setzen die Vier ebenfalls auf Freunde, die sich so selbstverständlich einfügen, dass man meinen sollte, sie würden immer als Sextett agieren.
Vor zwanzig Jahren ist schon einmal eine gemeinsame Einspielung dieser Werke mit dem Wiener Streichsextett und Sabine Meyer veröffentlicht worden. Vergleicht man die beiden Sichten, so mag einem das Spiel der Klarinettistin ausdrucksstärker erscheinen, ohne deswegen den Gestus des Werkes zu torpedieren. Beim Sextett dagegen erzielt die aktuelle Aufnahme eine Klanggestalt, die deutlich romantischer und weniger aufgewühlt ist als die frühere Aufnahme. Bei Diogenes hört man mehr die romantische Vergangenheit als die Zukunft. Trotzdem erzielen sie eine Hörwirkung, die die disparaten Aspekte nicht leugnet. Bei ihnen wird das Werk persönlicher und näher am Menschen gezeigt. Kurz gesagt: es wirkt emotionaler.