Der 1970 geborene französische Komponist Guillaume Connesson ist einer jener Tonschöpfer, denen die avantgardistische Szene mit Naserümpfen begegnet und die andererseits vom Publikum begeistert gefeiert werden, weil dieses Publikum versteht, was sie komponieren.
Auf mich macht Connesson den Eindruck eines Komponisten, der alles in sich aufgenommen hat, was vor ihm war, inklusive Filmmusik, Pop und Weltmusik, und daraus eine eigene Tonsprache entwickelt hat, die oft an Debussy, Ravel, Messiaen und Strawinsky erinnert, aber doch nie als Imitat bezeichnet werden kann, weil er mit viel Einfallskraft seine eigenen, wirklich individuellen Ideen äußert und diese großartig umzusetzen versteht. Dieses neue Doppelalbum zeigt beeindruckend, welch großartiges Orchestrationstalent er hat.
Das Orchestertriptychon ‘Les Cités de Lovecraft’ basiert auf dem ‘Dream Cycle’ des amerikanischen Autors H.P. Lovecraft (1890-1937) und wird zu einer faszinierenden musikalischen Reise durch die ‘Dreamlands’.
‘Celéphaïs’, ‘Kadath’ und ‘Die Stadt der untergehenden Sonne’ heißen die drei Teile, und die Musik ist ungemein farbig und einfallsreich komponiert, sehr effektvoll, sehr atmosphärisch, meist ziemlich bewegt, aber auch mit frenetischen oder ganz ruhigen Passagen. ‘Les Cités de Lovecraft’ ist ein spektakuläres Orchesterstück mit deutlich französischem Pass, brillant interpretiert von Denève und seinem Orchester.
Das Konzert ‘A Kind of Trane’ wurde für Alt- und Sopransaxophon bez. Klarinette geschrieben. Es wurde vom amerikanischen Jazzmusiker John Coltrane inspiriert, der letzte Satz ‘Coltrane on the dancefloor’ lässt daran keinen Zweifel. Jazzrhythmen bestimmen die mitreißende Musik der Ecksätze, während die mittlere Ballade sehr elegisch ist. Der Saxophonist Timothy McAllister geht die Musik sehr temperamentvoll an, und Stephane Denève liefert mit dem alerten ‘Brussels Philharmonic’ einen drängenden, pulsierenden Klangteppich.
Guillaume Connesson hat ‘Les Horizons Perdus’ als Auftragswerk von Renaud Capuçon komponiert. Auch hier benutzt der Komponist eine literarische Quelle als Inspiration, und zwar James Hiltons gleichnamigem Roman. In den vier Sätzen wird der Zuhörer musikalisch von einer hektischen Großstadt in eine Art Paradies transportiert, und das gleich zweimal.
Zwei hektische Sätze stehen demnach zwei ruhigen, mit ‘Shangri-La’ 1 und 2 bezeichneten Sätzen gegenüber.
Solist Renaud Capuçon hat keinerlei Schwierigkeiten von der intensiven Virtuosität der beiden schnellen Sätze in die lyrisch-meditativen Stimmungen von ‘Shangri-La’ zu wechseln, und er wird bestens vom ‘Brussels Philharmonic’ unterstützt.
Die Tondichtung ‘Le Tombeau des Regrets’ beendet das Programm. Es ist ein meditatives, zum Teil düsteres Stück, das sich über 12 Minuten hin steigert und manchmal an Rachmaninov erinnert, oder auch an die Musik britischer Komponisten.