Herr Pichler, als Sie ein junges Quartett waren, da war die Kammermusik längst nicht so beliebt und es gab auch viel weniger gute Quartette als heute. Wir sehen Sie die Entwicklung der vergangenen 50 Jahre? Was hat sich ggf. zum Guten, was zum Schlechten gewendet?
Sie haben Recht, es gab zu unserer Zeit weniger Streichquartette als heutzutage. Die jungen Musiker sind jetzt mutiger und freier und wollen sich weniger an ein Orchester binden. Es liegt allerdings auch daran, dass an den Hochschulen weltweit wesentlich mehr Kammermusik unterrichtet wird als früher. Der allgemeine technische Standard hat sich, ebenso wie auch im solistischen Bereich und in den Orchestern, eindeutig verbessert, im Spitzenbereich gibt es aber nach wie vor nicht mehr als eine Handvoll bedeutender Ensembles. Zum Schlechteren gewendet hat sich seit der Krise im Jahr 2008 die Situation der Honorare, und durch YouTube, Spotify etc. sind die Verkäufe von CDs signifikant zurückgegangen.
Sie unterrichten und haben herausragende Quartette herangebildet. Worin unterschied sich Ihr Unterricht von dem des LaSalle Quartetts, bei dem Sie studiert haben?
Jeder bringt seine ureigenste Persönlichkeit im Unterricht ein, selbst in unserem Quartett hat jeder einen eigenen Still des Unterrichtens entwickelt. Wesentlich ist, dass man mit Herz und Seele Lehrer ist und dass man die Studenten dazu bringt für, die Musik zu brennen.
Sie waren eines der ersten professionellen Quartette. Andere haben nur ‘nebenbei’ Quartett gespielt. War das damals ein Risiko?
Professionell Quartett zu spielen ist in jeder Hinsicht immer ein großes Risiko. Es gab aber schon zu unserer Studienzeit professionelle Quartette wie zum Beispiel das Amadeus Quartett, die Julliards, das Quartetto Italiano, das Smetana und das Janacek Quartett, usw. In Wien allerdings gab es eine außerordentlich starke Tradition von ganz ausgezeichneten Orchester-Quartetten, ich bin immer wieder überrascht, wenn ich deren Aufnahmen höre, auf welch hohem Niveau sie gespielt haben! Und das neben dem anstrengenden Orchesterdienst. Trotz alledem war es diesen Quartetten natürlich nicht möglich regelmäßig weltweit zu reisen und ein sehr großes Repertoire aufzubauen. Unser Ziel war es, im Reigen der besten Quartette eine Rolle zu spielen und deshalb haben wir dieses Risiko auf uns genommen. Ich habe sogar eine Konzertmeister-Stelle bei den Wiener Philharmonikern aufgegeben, um dieses Traumziel zu erreichen.
Von den Gründungsmitgliedern haben zwei die ganze Zeit mitgemacht, Sie und Herr Erben. Reicht das, um den Gründergeist weiterzugeben, um die Tradition, Klang und Image zu wahren?
Wenn die Persönlichkeiten der verbleibenden Mitglieder stark genug sind und wenn sich, was bei uns sicher der Fall war, ein eindeutig persönlicher Stil entwickelt hat, dann verändert sich der Grundcharakter des Quartettes sicher nicht.
Als Sie 2008 von der Bühne zurückzogen, war das schmerzlich? Hatten Sie später nie den Wunsch, doch noch mal vors Publikum zu treten?
Wir haben zwei Jahre lang Abschiedstourneen gemacht, waren also mit der Tatsache das Abschied-nehmen-müssens vertraut. Es war allerdings ein sehr eigenartiges, berührendes Gefühl, den letzten Ton im letzten Konzert für immer zu spielen. Danach habe ich mich allerdings sofort an die neue Situation angepasst und habe später nie den Wunsch gehabt, noch einmal aufs Podium zurückzukehren.
Ihre Aufnahmen bestehen aus Studioproduktionen und Live-Mitschnitten? Diese haben sie erst später gemacht in Ihrer Karriere. Wieso?
Live-Mitschnitte waren zur Zeit des Beginns unserer Schallplattenkarriere nicht en vogue. Erst als wir die Aufnahme unseres Carnegie Hall Debuts anhörten, waren wir so überzeugt davon, dass Live-Mitschnitte einen großen Vorteil bilden, dass wir uns gegenüber unserer Schallplatten-Gesellschaft durchgesetzt haben.
Bei aller Vielfalt der interpretierten Werke, welches war letztlich das Repertoire, in dem Sie sich am wohlsten fühlten?
Wir haben im Großen und Ganzen nur Werke ausgewählt, von denen wir glaubten, sicher sein zu können, dass wir sie mit großem Enthusiasmus über lange Zeit hinweg interpretieren werden können. Um das Publikum zu überzeugen ist es unumgänglich, dass man sich in dem Werk, das mal gerade spielt, wohlfühlt.
Wenn Sie sich die Box anschauen, die Warner jetzt herausbringt, mit 62 CDs + 8 DVDs, welche Erinnerungen werden dann wach, gibt es Aufnahmen, von denen Sie sagen, so würden Sie das heute nicht mehr spielen, …
Eigene Aufnahmen hört man sich ja normalerweise nicht so besonders gerne an, weil eigentlich nie etwas so gelingt, wie man es gerne hören möchte, auch wenn man es ein zweites Mal versucht. Beim Anhören wird deshalb wohl teilweise der Wunsch entstehen, dass man es besser gemacht haben sollte. Aber im Grunde genommen wird das Wissen beruhigen, dass ein Künstler immer auf der Suche nach der idealen Interpretation sein wird.
….und letzte Frage, was ist für Sie darin das Wichtigste?
Etwas vom Wichtigsten wird die Gewissheit sein, dass die Komponisten unserer Auftragswerke mit unserer Interpretation zufrieden waren. Und ich glaube, dass der Live Mitschnitt des Schubert Quartettes Der Tod und das Mädchen auf DVD zum Besten gehört was uns jemals gelungen ist.