Drei wichtige Symphonien von Dmitri Shostakovich sind in dieser Kollektion der Berliner Philharmoniker vereint.
Kirill Petrenko dirigiert den ersten Satz der 8. Symphonie sehr gefühlvoll. Er braucht zwar nur 25 Minuten dafür, dirigiert also schneller als Kitajenko und Barshai, aber er bringt die Mischung aus Desillusion, Hoffnungslosigkeit und Trauer in einer Interpretation zum Ausdruck, die den inneren Schmerz ergreifend werden lässt. Auch in den beiden folgenden Sätzen, dem Allegretto und dem Allegro non troppo forciert Petrenko (genau wie Kitajenko) nichts, sondern gibt der Musik mit Motorik eine mechanische Leere, die mehr aussagt als die aufgepfropften Versionen anderer Dirigenten. Er treibt den 3. Satz unerbittlich zum Höhepunkt und dringt brutal ins Largo ein, um sich dann wiederum in Leid und Trauer zu versenken, ehe sich die Musik im Finale aufrafft, um im Wechsel von Ruhe und Galgenhumor zu enden.
Danach kommt die klassizistisch geschönte Neunte, die man schon zu oft oberflächlich brillant und glatt gehört hat, deren vermeintlicher Humor aber bei Petrenko im 2. Satz ganz richtig und bedeutsam in Frage gestellt wird. Bedenken wir doch, dass Shostakovich mit dieser seiner Neunten ein Werk ablieferte, auf das bei Kriegsende in der Sowjetunion niemand gewartet hatte, weil sich alle eine große Siegessymphonie mit Chor und Soli erwartet hatten. Und dann kam Shostakovich mit diesem Werk, unter dessen Klassikmaske Angst ebenso versteckt wird wie Spott und Ironie.
Und wenn der Humor im Presto wieder auflebt, dann lässt Petrenko ihn schon fast gehetzt und damit unwirklich erscheinen. In dem vor dem Finale eingeschobenen Largo kommt es zu viel ernst gemeinter Trauer, aber auch zu einer Portion Galgenhumor (Anspielung auf Macphersons ‘Gang zur Hinrichtung’). So bringt Petrenko sehr viel Unruhe in die Symphonie und stellt sie als ein sehr, problemschwangeres Werk hin.
Gegenüber Herbert von Karajans schlanker und dynamischer Aufnahme des ersten Satzes der Zehnten finde ich diesen Satz bei Petrenko etwas schwerfällig und manchmal zu spannungsarm, wenn auch klanglich transparent und sehr detailreich. Der zweite Satz fließt kraftvoll und nichts ist daran auszusetzen. Petrenkos Allegretto liebe ich sehr. Mit subtilem Rhythmus, starkem Rubato und eigenwilligen Akzentuierungen gibt er dem Satz etwas total Schräges. Das sind herausragende 11 Minuten in dieser Zehnten, und sie werden gefolgt von einem spannenden, sehr gut gestalteten Finalsatz, der in seinem Klang- und Stimmungsreichtum, wie das Allegretto, symbolisch als Seelenporträt des Komponisten gelten kann. Und am Ende frage ich mich, inwieweit Petrenko die Schwergewichtigkeit des ersten Satz nicht gewollt hat und aus diesem dunklen Brüten die Energie aufgebaut hat, um die drei letzten Sätze so grandios zu gestalten?
Three important symphonies by Dmitri Shostakovich are united in this collection by the Berliner Philharmoniker.
Kirill Petrenko conducts the first movement of the 8th Symphony very sensitively. It takes him only 25 minutes, so he conducts faster than Kitajenko and Barshai, but he expresses the mixture of disillusionment, hopelessness and sadness in an interpretation that makes the inner pain poignant. In the next two movements, the Allegretto and the Allegro non troppo, Petrenko (like Kitajenko) doesn’t force anything either, but gives the music a mechanical emptiness with motoricism that says more than the grafted-on versions of other conductors. He drives the 3rd movement relentlessly to its climax, penetrating brutally into the Largo, only to sink again into sorrow and mourning before the music picks itself up in the finale to end in an alternation of calm and gallows humor.
Next comes the classically embellished Ninth, which has too often been heard superficially brilliant and smooth, but whose supposed humor is quite properly and meaningfully called into question by Petrenko in the 2nd movement. Let’s remember that Shostakovich delivered a work with his Ninth that no one in the Soviet Union was waiting for at the end of the war, because everyone expected a great victory symphony with chorus and solos. And then Shostakovich came along with this work, under whose classical mask fear is hidden as well as mockery and irony.
And when the humor resurfaces in the Presto, Petrenko makes it seem almost rushed and thus unreal. In the Largo, inserted before the finale, there is much serious mourning, but also a dose of gallows humor (alluding to Macpherson’s ‘walk to execution’). Thus Petrenko brings a great deal of unease to the symphony and sets it up as a very, problem-ridden work.
Compared to Herbert von Karajan’s lean and dynamic recording of the first movement of the Tenth, I find this movement a bit ponderous and sometimes too lacking in tension with Petrenko, though transparent and very rich in detail. The second movement flows powerfully and there is nothing wrong with it. I love very much Petrenko’s Allegretto. With subtle rhythm, strong rubato and idiosyncratic accents he gives the movement something totally weird. That’s an outstanding 11 minutes in this Tenth, and they are followed by an exciting, very well crafted final movement, which in its richness of sound and mood, like the Allegretto, can symbolically be considered a portrait of the composer’s soul. And in the end, I wonder to what extent Petrenko did not really want the heaviness of the first movement and build up the energy from this dark brooding to make the last three movements so grandiose?