‘nochmals hoffend’ heißt ein ‘Roman zu Paul Klee’, den der Luxemburger Publizist Guy Wagner, unseren Lesern als extrem sachkundiger Rezensent vieler CD- und DV-Aufnahmen bekannt, beim Rombach Verlag herausgegeben hat. Der Titel geht auf ein Aquarell des Künstlers zurück, das der Maler ein Jahr vor seinem Tode schuf und das im ‘Museum Sammlung Rosengart’ in Luzern seine Heimstätte gefunden hat. Über Paul Klee (1879-1940), im Nazi-Deutschland als Entarteter geächtet, im schweizerischen Exil von einer todbringenden Systemsklerose heimgesucht, erschienen wohl zahllose Kunstbücher, aber sein Leben, über das er selber in seinen Tagebüchern ausgiebig berichtet hat, wurde bislang literarisch nicht aufgearbeitet. Das unternahm jetzt Guy Wagner mit seinem Roman, der dem Leser den Menschen und Künstler Paul Klee in einer sehr direkten Sprache, in der Ich-Form nahe bringt. Guy Wagner hat sich ungemein gut in die komplexe Figur eingelebt und das Buch liest man wie in einem Sog.
Hier ein Passus daraus, der uns Paul Klee auch als Musiker in der ersten Begegnung mit jener Frau zeigt, mit der er sein Leben teilte:
Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen in München war der Konzert- und Opernbesuch, und die Entdeckung der großen Meisterwerke Mozarts, Bachs, Schuberts wurde für mich zu einem prägenden Erlebnis. Auch zu privaten Musikabenden wurde ich gerne eingeladen, da mein Geigenspiel in diesen Kreisen Zuspruch gefunden hatte. So begleitete mein Instrument mich denn auch immer, wenn es um Musik ging: Man konnte ja nie wissen.
Eines Abends, es war auf einer der zahlreichen musikalischen Soirées der Pianistin Friederike Eleonore Fischer, die ich so gerne in München besuchte, sah und hörte ich SIE. Sie saß am Flügel und spielte meiner Überzeugung nach wundervoll. Sie sah graziös und zerbrechlich, aber auch stark und energisch aus. Die war es! Die musste ich näher kennenlernen.
Nachdem die Musik geendet hatte, schlängelte ich mich durch die Zuhörerschaft zu ihr durch. Sie lächelte mich unbefangen an, was meinen Wunsch, sie anzureden, nur noch verstärkte: »Ich bin begeistert von Ihnen!«, sagte ich. »Von meinem Spiel oder von mir?«, war ihre Reaktion. »Von beiden … «. Sie lächelte wieder: »Sind Sie Musiker?« – »Ja, auch.« – »Wie meinen Sie das? Sie tragen doch eine Geige bei sich.« – »Eigentlich studiere ich Kunst, aber ich kenne mich ebenfalls im Violin- und Bratschenspiel aus, und daher habe ich das Instrument immer bei mir, wenn ich ein Privatkonzert besuche, in der Hoffnung, jemanden zu finden, mit dem ich zusammen musizieren könnte … Übrigens, darf ich mich vorstellen? Ich heiße Ernst Paul Klee, wohne in der Schweiz, in Bern und studiere hier in München.« – »Und ich heiße Karoline Sophie Elisabeth Stumpf, aber jeder nennt mich Lily.« – »Wohnen Sie hier bei Ihren Eltern?« – »Ja«, antwortete sie und fügte hinzu: »Ich wohne beim Vater, Medizinalrat Ludwig Stumpf, und bei der Stiefmutter. Meine Mama habe ich bereits mit sechzehn Jahren verloren.« – »Das tut mir leid. (Pause) Und Sie leben von Ihrer Musik?« – »Ja, ich gebe Klavierunterricht und Konzerte.« – »Würden Sie auch mit mir zusammenspielen?« – »Das hängt von Ihrem Talent ab.« – »Na, da können wir ja gleich
sehen«, meinte ich und nahm die Violine aus ihrem Gefängnis, spannte den Bogen und stimmte die Saiten aufeinander ab. Sie gab auf dem Klavier den Kammerton an. Die beiden Instrumente waren im Einklang. »Wollen wir?« – »Was sollen wir?« – »Vielleicht das Andante con moto aus der Es-Dur- Sonate von Mozart?« – »Wunderbar!«
Ja, es war einfach wunderbar, mit Lily zu spielen. Sie verstand die Kunst des Aufeinanderhörens so hervorragend, dass ich ganz beglückt war und innerlich wiederholte: Die muss es sein! Die muss es sein! …