Wer seine Besuche im Wiener Konzerthaus gut plante, konnte an zwei aufeinander folgenden Abenden reine Mozart Programme erleben. Das Hagen Quartett interpretierte zwei Haydn Quartette und das Hoffmeister Quartett. Die Camerata Salzburg mit der Solistin Janine Jansen bot mit zwei frühen Sinfonien, vierten Violinkonzert und Concertone auch deutlich seltener gespielte Werke dieses Komponisten. Wie diese Dosis Mozart ankam, kann Uwe Krusch für Pizzicato sagen.
Geschmack bewies Mozart dadurch, dass er den Themen des A-Dur Quartetts die Leichtigkeit des galanten Stils, scheinbar unbeschwerte, singend-tänzerische Gebilde verlieh. Unter den Quartetten Mozarts hat dieses Werk kompositorisch den höchsten Rang. Dabei ist es ein introvertiertes Stück, das nie die Popularität wie das am Abend folgende Dissonanzen-Quartett etwa erreichte.
Diese Introvertiertheit mochte auch der Grund dafür sein, dass die Interpretation durch das Hagen Quartett einen sehr nach innen gewandten Ansatz verfolgte, der mit dem ruhevollen Andante und dem verhauchenden Ende des Finalsatzes seinen stärksten bzw. am meisten zurückhaltenden Ausdruck fand. So wirkte die Darstellung des Quartetts so in sich gekehrt, dass das Publikum nur einen verhalten freundlichen Applaus spendete.
Energie und Ausstrahlung konnte man dann erst in den beiden anderen programmierten Stücken verspüren. Hier zeigte das Hagen Quartett wieder sein unnachahmlich feinsinniges Spiel, das aber auch durch Feuer und Intensität geprägt wurde. Dabei wurde das Feuer immer in geregelten Bahnen gehalten, so dass es Wärme und Annehmlichkeit verbreitete, aber gut eingehegt keine Angst vor Brandflecken verbreiten konnte.
Die bereits im Konzert vor wenigen Wochen gezeigten exorbitanten Qualitäten wurden hier wieder gezeigt. Genauste Abstimmung und sensibles Miteinander im Umgang ermöglichten Interpretationen, die ohne auffällige Extravaganzen auskamen und trotzdem spannungsvoll zu hören waren. Das wurde dann auch mit überschwänglichem Applaus im erstaunlicherweise nicht prall gefüllten Saal honoriert.
Am zweiten Abend hatte dann die Camerata Salzburg ihren zweiten Auftritt. Mit der allerersten Sinfonie sowie der sogenannten Alten Lambacher boten die sich selbst organisierenden Musiker der Camerata nicht etwa beliebige Einstiegswerke in die jeweilige Konzerthälfte, sondern höchst attraktiv ausgespielte jugendliche Kompositionen, die gleichwohl schon tolle Kompositionskunst boten. Bei der ersten Sinfonie blieb besonders das Andante mit tiefgründigem Charakter im Ohr. Doch auch die den Reigen der Darbietung eröffnende Alte Lambacher, eines pubertierenden Jungen von 13 Jahren möchte man meinen, zeigte diese Frische und gleichzeitig ausgeprägte eigene Stimme.
Vom Konzertmeisterstuhl aus leitete Gregory Ahss das Ensemble, das meist ohne Dirigenten auskommt und seine Interpretationen im Dialog der Instrumentalisten des Ensembles erarbeitet. Diese Formation blickt auf eine namhafte Historie zurück und konnte auch in diesem Konzert mit bis in kleinste Details aushorchenden Darstellungen der Werke überzeugen. Gerade in den langsamen Passagen zeigten sie alle ihre subtile Fähigkeit, farbliche und dynamische Schattierungen auf. Lediglich in markig schnellen Momenten mag man sich eher leicht abphrasierte statt ausgehaltener Schlusstöne vorstellen, aber das ist eine Kleinigkeit. Die Camerata überzeugte durch und durch mit lebendig aufeinander hörendem Spiel mit exzellent zugeworfenen Übergängen.
Die an diesem Abend begrenzte Bläserbesetzung, nur zwei Oboen und zwei Hörner, bot allerdings unbegrenzt überzeugende Leistungen, die vom Publikum und auch von Ahss und den Streichern gewürdigt wurden.
Das Orchester war dann auch in den beiden großen Solokonzerten des Abends mehr als präsent und bis in die Haarspitzen motivviert. Für zwei große Auftritte hatten sie die niederländische Geigerin Janine Jansen hinzugebeten. Mit dem vierten Konzert nimmt Mozart Elemente der Mannheimer Schule und würzt sie sofort mit eigenem Ausgestaltungswillen. Hier ist seine Persönlichkeit voll entwickelt. Ihr Solo kredenzte Jansen mit ihrem herrlichen Geigenton. Dabei wirkte sie so leicht und unbeschwert und übertrug das auf ihr Spiel, wie es den Kompositionen Mozarts bestens bekommt. Dazu spielte sie Kadenzen von Joseph Joachim. Dabei gelang es ihr mühelos, auch den großen Saal tonlich bis in den letzten Winkel zu füllen. Egal, ob temporeiche Geste oder langsame Kantilene, technische Herausforderung oder einfach melodisches Spiel, Jansen spielte mit bester Bogenführung sowie intensiv beseelt. Ihr ausgeprägter Körpereinsatz blieb immer musikalisch geprägt und wirkte nicht aufdringlich oder gar plakativ. Sie war und blieb eins mit ihrer Geige und vermittelte, immer mit Herzblut zu agieren.
Zum programmierten Abschluss des Abends trat Janine Jansen zusammen mit Konzertmeister Gregory Ahss vor die Camerata, um die Concertone zu spielen. Dieses erste Werk, in dem sich Mozart mit der Solovioline auseinander setzte, zeigt sich noch stark von der Form des Concerto grosso geprägt. Nicht nur die beiden Violinen, sondern auch Cello und Oboe mischten obligat, also solistisch und nicht nur nebensächlich, mit. So hatte man es mit vier tollen Solisten zu tun. Das waren neben den beiden Geigenden die Cellistin Ursina Braun und an der Oboe Marie-Luise Modersohn von den Münchner Philharmonikern.
Dass auch für einen Konzertmeister die Solistenrolle neben einer überragenden Persönlichkeit nichts Alltägliches ist, durfte man aus der reichhaltigen und auffälligen Mimik und Gestik von Ahss während der Concertone schließen. Die Solopartien inklusive Cello und Oboe sind sowohl abwechselnd als auch miteinander angelegt, so dass man sowohl jeden Solisten einzeln wie auch im Verbund mit einem anderen erleben durfte. Das zeigte, wie Mozart schon bei diesem ersten Ansatz für ein Violinkonzert gedanklich über bekannte Muster hinaus gedacht hat. Die beiden Geigensolisten präsentierten ihre Parts in bestem Einvernehmen, teilweise auch im zuwerfenden Wechselspiel. Jansen blieb dabei ihrer entspannt wirkenden Herangehensweise treu, so dass Ahss im Vergleich optisch verkrampfter wirkte, ohne deswegen im Spiel Schwächen zu zeigen. Zusammen mit Cello und Oboe vor dem Orchester reizten sie die Aspekte des Werkes in schönster Manier aus, so dass diese Spielplanrarität eine bestens gelungene Widergabe erfuhr.
Bei der Zugabe, dem Finalsatz aus der A-Dur Sinfonie K 201, durfte man dann nicht nur das Ensemble noch einmal in all seiner Intensität und Qualität erleben, sondern auch eine Überraschung. Janine Jansen setzte sich ans letzte Pult der ersten Geigen und fügte sich mühelos ein.
Großer Applaus nach einem großen Konzert.