Track eins, ‘Si potessero i sospir’ miei…’: Tirintos Arie aus dem ersten Akt von ‘Imeneo’ ist so schön, so bezaubernd in ihrem süßen Schmerz, dass der Zuhörer, wenn das Ensemble ‘Artaserse’ anschließend das ‘Agitato da fiere tempeste’ aus ‘Riccardo Primo’ anstimmt, erschreckt und verwirrt eigentlich nur zurückmöchte in die Trauer der ersten Arie. Schmerz kann eben süchtig machen, wenn Jaroussky singt… Sicher, auch die federleichte und nie scharfe Virtuosität ist hinreißend, aber das wirklich Herausragende auf dieser CD sind die gesangsdarstellerischen Momente von großer Emotionalität, die in einem letztlich etwas sterilen Wechsel von schnell und langsam die Oberhand behalten.
Ich habe mal versucht, die CD umzuprogrammieren, die langsamen Arien alle hintereinander abzuspielen und danach die virtuosen Stücke. Und dann habe ich mir die langsamen noch einmal in einer Reihe angehört, und dann noch einmal, und da etwas gefunden, was die Virtuosität nicht bieten kann: Seele, bewegende Nuancen, die in tiefere Bewusstseinsebenen eindringen.
Am Ende frage ich mich, warum überhaupt diese virtuosen Arien in ein solches Programm gehören, wenn nicht um Petronius’ Aussage zu bestätigen, dass die Künstler hierbei die geringste Schuld haben: « Sie müssen mit den Unsinnigen rasen ». « Hängt nicht der Fischer auch das an den Haken, das den Geschmack der Fische reizt? », fragt Petronius. Leider trifft das heute in besonderem Maße zu. ‘Schnell und laut’ ist die Maxime. Aber wie gesagt: Jaroussky ist nicht einmal besonders schnell und schon gar nicht laut in seiner Virtuosität. Und dennoch bevorzuge ich, wenn er von den zärtlichen Gefühlen des Ezio singt oder von den süßen, verliebten Rachegedanken des Radamisto.
Ein Wort noch zum Orchester. Das von Jaroussky gegründete und geleitete ‘Artaserse’ spielt in völliger Harmonie mit dem Sänger und reagiert wunderbar auf den Gesang, fängt den Text auf und verarbeitet ihn instrumental.
So, und jetzt genug des Schreibens, will nochmal die Reihe der stillen Tracks hören, mich vom ‘sussurate’ auf die Jaroussky-Wolke heben lassen,… ‘onde vezzose’, zarte Wellen aus des Kontertenors sanfter Kehle.