Das Publikum erwartete Kurzweil bei stürmischen Koloraturen, neckischen Tanzsätzen und Melodien mit Ohrwurmcharakter. Um das Handwerk hierzu zu lernen, startete Händel im Alter von 21 für vier Jahre eine Studienreise durch Italien. Insbesondere wollte er dort den modernen italienischen Opern-Stil studieren. Da Händel das Erwartete alsbald erlernte und umsetzen konnte, lagen ihm die die höchsten Gesellschaftskreise der Musikmetropolen Florenz, Venedig, Neapel und Rom sehr schnell zu Füßen und überhäuften ihn mit Aufträgen für Kompositionen. Zu seinen größten Gönnern zählte der Marchese Ruspoli, der ihn in die Arkadische Akademie einführte. Werke, die Händel für diesen Auftraggeber schuf, aber auch solche für die Kardinäle Ottoboni und Pamphili und schließlich noch Arbeiten ohne Zuordnung sind jeweils auf einzelnen CDs dieser Packung zusammengefasst.
Im Rahmen der für Marchese Ruspoli geschriebenen Werke schuf Händel die Pastoralkantate Aminta e Fillide. Wie so oft in den Schäferkantaten der Arkadier wird die verschmähte Liebe thematisiert. Die musikalische Gestaltung des Stücks ist sehr abwechslungsreich. An eine gravitätische Ouvertüre im französischen Stil schließt sich ein Furioso an, in dem die Liebesjagd ihren Lauf nimmt. In den Arien werden die Affekte der Handlung plastisch in Musik gekleidet: rhythmisch prägnante Passagen und leidenschaftliche Läufe des Aminta stehen dem leichtfüßig tänzelnden, fast spöttischen Gestus der Fillide gegenüber. Amintas Siciliana-Ständchen Se vago rio entfaltet in seiner Schlichtheit und Innigkeit einen verführerischen Zauber, der das Herz von Fillide zum Schmelzen bringt und damit die entscheidende Wende der Handlung einleitet. Am Ende vereinen sich beide Stimmen zum finalen Duett O felice in amor dolce tormento.
Am Beispiel dieser längeren Kantate aus 22 Sätzen wird schon deutlich, dass Händel bereits in jungen Jahren meisterhaft komponierte. Die 22 italienischen Kantaten mit drei bis 29 Sätzen und sechs bis 70 Minuten Spieldauer zeigen die gesamte Palette seiner schöpferischen Kraft. Zumeist für eine Solostimme, aber auch wie Aminte e Fillide mit zwei Sängerinnen bzw. wie in Diana cacciatrice die zweite Stimme nur als Echo, hat er hier meist für Frauenstimmen, nur vereinzelt auch für männliche Stimme komponiert.
Die über einige Jahre aufgenommenen und zuvor einzeln veröffentlichten CDs wurden nunmehr im gleichen äußeren Erscheinungsbild zusammengeführt. Damit liegt wohl erstmals eine komplette Sammlung dieser noch weniger beleuchteten Werke aus Händels Oeuvre vor, was schon für sich genommen aller Ehren wert ist. Wenn dann Fabio Bonizzoni zusammen mit dem Ensemble La Risonanza diese Werke so inspiriert, detailfreudig, abwechslungsreich und technisch ausgefeilt präsentiert, so ist der Coup gelungen. Für die besonders fordernden Solopartien der Geige haben sie Leila Schayegh hinzugebeten. Die Realisierung durch das Orchester ist also uneingeschränkt zu loben. Daran ändert auch nichts, dass die die Musik durchaus ihre Tücken hat, die bewältigt werden müssen, denn das gelingt mit Bravour.
Für die Gesangspartien wurden insgesamt zehn Gesangssolisten gefunden, wobei Roberta Invernizzi einen großen Anteil hat. Invernizzi überzeugt mit ihrem strahlenden Timbre und nuancenreichen Vortrag, wobei man meint, über die Reihe der Aufnahmen auch noch eine Entwicklung der Stimme wahrnehmen zu können. Andererseits dürfen die Bassisten Thomas E. Bauer, Salvo Vitale und Furio Zanasi mit jeweils einer Kantate, die ihnen gerade einmal zehn Minuten Zeit zur Entfaltung ihres Gesangs lässt, nur kurz ran. Sie können aber in diesem begrenzten Rahmen trotzdem mit sonorer Tiefe und charmanter Dunkelheit überzeugen, wobei der Bariton Thomas E. Bauer etwas lichter daherkommt. Romina Basso als einzige Altistin fügt sich ebenso makellos in die Riege ein, wie die anderen Sopranistinnen, etwa Nuria Rial, die allein oder zu zweit die Musik ausdrucksstark und liebevoll an unsere Ohren bringen.
Wenn es Interpreten gelingt, Musik so zu zeigen, dass man selbst bei mehr als acht Stunden Dauer vielleicht mal eine Konzentrationsschwäche oder gesanglich nicht perfekt gelungene Nuancierung wahrzunehmen meint, aber ansonsten die gesamte Zeit über inspiriert ohne eine Sekunde Langeweile zuhören mag, dann sollte man das nicht gering schätzen.
Das Beiheft mit Einführung, Fotos der Interpreten, den Originaltexten sowie die mit durchgehend einheitlich transparentem und angenehmem Klang bereiteten Aufnahmen runden diese Edition.