Der Hausarrest in Moskau des russischen Regisseurs Kirill Serebrennikov wurde bis zum 19. Januar 2018 verlängert. Die Verantwortlichen der Oper Stuttgart, deren ‘Hänsel und Gretel’-Produktion durch diese Maßnahmen in Mitleidenschaft gezogen wird, zeigen sich erbost und erschüttert. Die Oper teilt mit: « Auch in unabhängigen Zeitungen und Nachrichtenportalen heißt es, dem Regisseur werde vorgeworfen, öffentliche Mittel in Höhe von umgerechnet über einer Million Euro veruntreut zu haben. Das ist unrichtig. Dem Angeklagten wurde bis heute nicht auch nur die geringste persönliche Bereicherung nachgewiesen. Stattdessen ist jedem bekannt, dass Serebrennikov den an diese finanziellen Mittel geknüpften Auftrag des ‘Platforma’-Projekts vollumfänglich (und zudem höchst erfolgreich) realisiert hat. Es geht also gar nicht um die Hinterziehung dieser Summe, sondern um einen unterstellten Verstoß gegen bürokratische Abwicklungsregeln, sprich um die Umwandlung dieser Summe in Bargeld (die freilich, so beschreiben es Kenner der Szene, in russischen Theatern aus pragmatischen Gründen allgemein gängige Praxis sei).
Man muss wissen, dass Kirill Serebrennikov in allen seinen bisherigen Leitungsfunktionen die Übernahme geschäftsführender Vollmachten stets von sich gewiesen hat. Ihm war bewusst, dass seine künstlerische Arbeit Putins nationalistischen und orthodoxen Propagandisten seit Jahren ein Dorn im Auge war, er wusste, wie sehr ihn die gesellschaftliche Relevanz seiner Kunst persönlich gefährden konnte. Der Gedanke, er habe seinen Verfolgern durch die Veruntreuung auch nur einer einzigen Kopeke einen Vorwand zum Zugriff bieten können, ist daher eine Beleidigung nicht seiner Moral, sondern seiner Intelligenz.
Das von den Behörden eingeleitete Verfahren hat sein wahres Ziel, das mit Wahrheitsfindung nichts zu tun hat, bereits erreicht: Über Serebrennikov wurde noch vor dem Schuldspruch de facto ein Berufsverbot verhängt. Die Uraufführung seines Nurejev-Balletts wurde sabotiert, er musste die Dreharbeiten zu dem Film Kino abbrechen, die Endproben seiner Inszenierung von Puschkins Kleinen Tragödien kann er nicht mehr persönlich leiten und seine Stuttgarter Hänsel und Gretel-Inszenierung wurde ihm noch vor dem szenischen Probenbeginn aus der Hand geschlagen.
Russland versucht so, die Realisation eines der künstlerisch wichtigsten Projekte der Oper Stuttgart unter der Intendanz von Jossi Wieler unmöglich zu machen. »