Groß angekündigt auf einem Aufkleber als ‘World Premiere Recordings’, ruft diese Behauptung zuerst einmal Erstaunen hervor, da beide Werke in den Katalogen öfter vorhanden sind. Beim genaueren Hinsehen aber erkennt man, dass es sich für die ‘Seejungfrau’ um die Ersteinspielung der neuen kritischen Fassung von 2013 handelt und für die Sinfonietta um die Fassung für Kammerorchester, die ebenfalls 2013 durch den Komponisten Roland Freisitzer (*1973) hergestellt worden ist.
Es war schon längere Zeit aufgefallen, dass die bisher vorliegende Ausgabe der ‘Seejungfrau’ einer kritischen Überprüfung nicht standhalten würde, da die Handschrift von Alexander Zemlinsky zum Teil nur sehr schwer lesbar ist, und er andrerseits immer wieder Striche und Anfügungen gemacht hat. Diese ‘kritische Ausgabe’ geht, so weit bekannt, auf den Zemlinsky-Forscher Anthony Beaumont zurück. Diese aber hat bereits bei Chandos (Danish National Symphony Orchestra, Thomas Dausgaard) von einer Neuausgabe gesprochen.
Nun aber schreibt Beaumont, das Werk benötige, mehr als ein Jahrhundert nach seiner Uraufführung, eine ‘fully integrated’ kritische Ausgabe. Was soll das denn? Seinerseits erwähnt Roland Freisitzer im Booklet, dass Peter Keuschnig ihn gebeten hatte, ein Zemlinsky-Werk für sein Ensemble Kontrapunkte anzupassen. Die Wahl fiel auf die Sinfonietta, op. 23. Überlassen wir nun die Spitzfindigkeiten anderen und stellen fest, dass diese Einspielungen von herausragender Tonqualität sind und die Surround-Technik doch in ganz neue Klangdimensionen hineinführt. Alle Instrumente werden fein säuberlich abgestuft, man wird von den Klängen umhüllt, was einer atmosphärisch so dichten Komposition wie ‘Die Seejungfrau’, einer Fantasie nach Hans Christian Andersen, erst ihre Intensität verleiht, zumal John Storgards ‘seinen’ Philharmonikern aus Helsinki ein Maximum an Eleganz und Feierlichkeit abverlangt, und diese bereitwillig sein Konzept in Klang umsetzen.
Gleiches gilt für die Sinfonietta, ein Werk, das Zemlinsky 1934 komponierte und dem er den gleichen Titel gegeben hat, wie dem Opus 5 seines früheren brillanten Schülers Erich Wolfgang Korngold, das von 1911 bis 1913 komponiert wurde und auf einem Quartenmotiv aus fünf Tönen beruht, das Korngold ‘Motiv des fröhlichen Herzens’ genannt hat. Erstaunlicherweise taucht das Motiv ebenfalls in der Sinfonietta von Zemlinsky auf, die gespickt ist mit weiteren Zitaten: Hommage des Meisters an den überbegabten Schüler?
Auch in der Darbietung dieser Komposition erreicht Storgards ein Maximum an Präzision und Klangraffinement. Allerdings hätte man sich doch schon in beiden Interpretationen etwas mehr Empfindung gewünscht, doch Storgards ist nun einmal ein Intellektueller eher als ein Gefühlsmensch.
First recordings of the newest available critical edition of Die Seejungfrau and Sinfonietta. The performances are transparent, precise and intellectually grounded, yet one would have liked a bit more sensitivity.