( Remy Franck) – Antonio Salieris 1771 uraufgeführtes Dramma per musica Armida basiert auf dem Armida-Stoff von Torquato Tasso. Der erste Akt schildert die Ankunft Ismenes auf Armidas Insel. Er will Rinaldo zurück zu den Kreuzrittern bringen. Doch dieser ist dem Zauber Armidas völlig erlegen und schwärmt nur von ihr. Von dieser Liebe handelt der 2. Akt. Ismene gelingt es, Armidas Zauber zu brechen, und Rinaldo will sich im 3. Aufzug wieder dem Kreuzzug anschließen. Armida ist außer sich und kündigt Rache an. Doch diese Rache hat Salieri nicht interessiert. Und so bleibt seine Oper weitgehend eine Idylle, die Christophe Rousset mit viel Charme inszeniert. Er dirigiert zügig und die flüssig gehaltene Musik mit großer Vitalität und trifft auch ihren Charakter, wenn sie im dritten Aufzug etwas dramatischer und leidenschaftlicher wird.
Lenneke Ruiten ist eine Armida, die ihr Verliebtsein ebenso emphatisch und stimmlich brillant zum Ausdruck bringt wie ihre Traurigkeit und den erwachenden Zorn, wenn ihr klar wird, dass sie Rinaldo verlieren wird. Teresa Iervolino ist eine nicht weniger überzeugende, Armida einfühlsam ergebene Ismene, Florie Valiquette ist ein ausdrucksstarker Rinaldo. Mit ihrer leuchtenden, klaren, beweglichen Stimme kann sie die psychologische Entwicklung der verzauberten und entzauberten Figur glaubwürdig und bewegend darstellen.
Ashley Riches singt einen exzellenten Ubaldo, so dass man von einer makellosen Besetzung sprechen kann. Zusammen mit dem Orchester Les Talens Lyriques und dem hervorragenden Choeur de Chambre de Namur gelingt den Sängern und dem Dirigenten eine bemerkenswerte Ersteinspielung von Salieris prachtvoller Oper.
Antonio Salieri’s Dramma per musica Armida, first performed in 1771, is based on Torquato Tasso’s Armida. The first act depicts the arrival of Ismene on Armida’s island. He wants to bring Rinaldo back to the crusaders. But the latter has completely succumbed to Armida’s magic and only raves about her. Act 2 is about this love. Ismene finally succeeds in breaking Armida’s spell, and in the 3rd act Rinaldo is ready to join the crusade again. Armida is outraged and announces revenge. But this revenge did not interest Salieri. And so his opera remains largely a charming idyll. Christophe Rousset’s conducting is brisk fluid and elegant. Yet it also is more dramatic and passionate in the third act.
The vocally brilliant Lenneke Ruiten is an Armida who expresses her love as emphatically as her sadness and awakening anger when she realizes she is going to lose Rinaldo. Teresa Iervolino is no less convincing as her caringly devoted servant Ismene, and Florie Valiquette is an expressive Rinaldo. With her luminous, clear, agile voice, she is able to portray the psychological development of the enchanted and disenchanted character in a believable and moving manner.
Ashley Riches sings an excellent Ubaldo, so one can speak of a flawless cast. Together with the orchestra Les Talens Lyriques and the excellent Choeur de Chambre de Namur, the singers and conductor succeed in making a remarkable premiere recording of Salieri’s magnificent opera.
(Guy Engels) – 1771 präsentiert Antonio Salieri mit Armida in Wien seine erste Opera seria. Für den damals 21-jährigen Komponisten war es auf Anhieb ein großer Erfolg. Armida wurde in andere Sprachen übersetzt und auch als Klavierfassung veröffentlicht.
Es gab demnach gute Argumente, das Werk, 250 Jahre nach seiner Uraufführung erstmals auf CD zu veröffentlichen. Christophe Rousset und seine Talens Lyriques haben sich der Herausforderung gestellt und unterstreichen während der rund zwei Stunden, dass sie ihren Namen verdient haben.
Viele Talente haben sich um diese Produktion versammelt. Das Orchester, das unaufdringlich, ganz natürlich musiziert, sich zurückhält, dennoch immer präsent ist, treibt in den passenden Momenten die Handlung weiter oder untermalt sie dramaturgisch.
Der Choeur de Chambre de Namur ist per se ein exzellentes Ensemble und präsentiert sich hier in wunderbarer stimmlicher Ausgeglichenheit perfekter als Mitspieler in einer Szenerie, die von den vier Protagonisten dominiert wird.
Armida und Ismene sowie Ubaldo und Rinaldo bilden jeweils Paare oder treten als Gegenspieler auf in diesem Konflikt zwischen Liebe und Pflicht, zwischen Magie und rechtem Glauben, der sich bis zum Ende hin progressiv zuspitzt.
Die vier Solisten Lenneke Ruiten, Florie Valiquette, Teresa Iervolino und Ashley Riches setzen jedes Wort des Librettisten Marco Coltellini perfekt in Musik um, spielen sämtliche Nuancen ihrer jeweiligen Rolle durch: Ismene, die Strenge und Gefährliche, die aber genauso verletzlich ist; Ubaldo, der unerschütterliche Freund und Kämpfer gegen dunkle Mächte; Armida, die Männer um den Finger wickelt, sich zur Furie entwickelt, wenn man sie hintergeht; Rinaldo, hin- und hergerissen zwischen dem paradiesischen Leben mit Armida und seinen Pflichten als Kreuzritter.
Auch wenn man die Geschichte und ihr Ende kennt – Salieri ist nicht der Erste, der sich des Stoffes bedient hat – bei dieser Armida-Produktion möchte man keine Minute verpassen.