Semperoper Dresden
Photo: Remy Franck

Von den neun Opern, die Richard Strauss in Dresden uraufführen ließ, ist Intermezzo die am wenigsten bekannte und selten gespielteste – zu Unrecht, wie eine Neuproduktion an der Sächsischen Staatsoper zeigt. Michael Oehme berichtet.

Fast auf den Tag genau vor 100 Jahren, am 4. November 1924, wurde in Dresden die Richard-Strauss-Oper Intermezzo uraufgeführt, allerdings nicht im Semperbau, sondern im kleineren Schauspielhaus gegenüber vom Kronentor des Zwingers. Nach seiner monumentalen, symbolträchtigen Die Frau ohne Schatten dachte Strauss an ein bürgerliches Kammerspiel, in dem er sein eigenes Familien-, Ehe- und Künstlerleben reflektieren wollte. Die darin vorkommenden Vorstellungen vom Verhältnis zwischen Mann und Frau, Hausherr und Dienerschaft galten lange Zeit als zu konservativ. Dass sich davon bis heute vieles verändert und manches geblieben ist, macht den Reiz von Intermezzo in unserer Zeit aus. Für das Libretto hatte Hugo von Hoffmannsthal Strauss eine Absage erteilt. Strauss hat es selbst geschrieben, was ihm prompt die Kritik des großen Dichters einbrachte.

Die Dresdner Neuinszenierung nimmt auf die Uraufführung Bezug. Zunächst gibt es ein kleines musikalisches Entree. Die Hauptdarstellerin singt, vom Kapellmeister begleitet, das Strauss-Lied Cäcilie (Wenn du es wüsstest). Dann betreten Richard Strauss, der bei der Uraufführung 1924 natürlich anwesend war und seine Gattin Pauline de Ahna die Loge, zu sehen auf einer Projektionswand im Hintergrund. Diese ist im Verlauf der Handlung jedoch überhaupt ‘not amused’, wie sie vom Komponisten in der Oper gezeichnet wird, verlässt bald demonstrativ die Loge und betrinkt sich im Foyer. Beide, treffend dargestellt von den Schauspielern Katharina Pittelkow und Erik Brünner sind aber weiterhin an diesem Abend präsent, auch in der Pause unter den Zuschauern.

Patrick Hahn
(c) Gerhard Donauer

Zu den Zutaten auf der Projektionswand gehören auch Figurinen und Schriftzüge im Stil des Simplicissimus, welche auf die Opern Bezug nehmen, die Strauss vor allem in den instrumentalen Zwischenspielen andeutungsweise oder angelehnt zitiert – ein optische Meisterleistung von Falko Herold (Video), Fabio Antoci (Licht) und Manuel Ruge (Kameramann). Die entsprechenden Strauss’schen Frauengestalten von Freihild (Guntram), Salome, Elektra, Marschallin etc. sind in der Choreografie von Michael Trücker kommentierend als Tänzerinnen Bühnengeschehen beteiligt. Alfred Mayerhofer hat dafür die jeweils erkennbaren aufwendigen Kostüme geschaffen.

Bleibt die durchschaubare Handlung des Familiengeschehens, die aufgeregte und von der Gattin Christine nicht ganz unerwünschte Abreise des Kapellmeisters Dr. Storch nach Wien, trotzdem Treueschwüre, Auftauchen eines nichtsnutzigen jungen Barons auf der Rodelbahn (sehr schönes schneeglitzerndes Bild). Christine widersteht ihm in jeder Hinsicht. Nur das  Auftauchen eines fälschlich an Dr. Storch gerichteten Liebesbriefes einer Miezi Meier stiftet Verwirrung. Es braucht einige Zeit bis zur Auflösung des Dramas und schlussendlich geradezu pathetischen Versöhnung.

Mit noblem weichen Bariton singt Christoph Pohl, eine Hausgröße seit langem in Dresden den Kapellmeister. Vollendet trifft er den Konversationston. Jedes Wort ist zu verstehen. Die Partie der Ehegattin und Hausfrau Christine ist die umfangreichste und vielgestaltigste in Straussens Intermezzo. Mit ihrem edlen lyrisch-dramatischem Sopran verfügt Maria Bengtsson über alles dafür, um sowohl liebevoll als auch zornig zu wirken. James Ley gab sein Hausdebüt in Dresden. Die Frische seiner klaren Tenorstimme passt genau zur Unbekümmertheit des jungen Baron Lummer. Ute Selbig liefert mit leicht verstelltem Timbre eine treffende Charakterstudie als Kammerjungfer Anna. Auch die zahlreichen weiteren Rollen sind durchweg adäquat besetzt.

Warum Intermezzo so selten aufgeführt wird, verwundert erst recht angesichts des grandiosen, raffinierten Orchestersatzes. Insbesondere die Zwischenspiele enthalten den ganzen Strauss in voller Größe und es macht einfach Freude, seine diffizilen Anspielungen auf das eigene Schaffen zu entdecken. Der erst 29-jährige Österreicher Patrick Hahn, derzeit GMD in Wuppertal führt konzentriert und überlegen durch die zweieinhalbstündige Partitur. Obwohl keiner ihrer Musiker das Stück bisher jemals gespielt hat, musiziert die Staatskapelle sowohl in den ruhigen als auch aufbrausenden Momenten großartig, wenngleich noch etwas angespannt in der Premiere. Die noch folgenden Aufführungen im November und Dezember dieses Jahres versprechen Sternstunden zu werden, die Reise nach Dresden mehr als ein Intermezzo.

4., 8., 21., 24. November 2024

  1. Dezember 2024
  • Pizzicato

  • Archives