Giacomo Meyerbeers Oper ‘Le Prophète’ ist hoch aktuell, endet sie doch mit einem auf religiösen Auseinandersetzungen beruhenden Bombenanschlag! Hintergrund der Oper ist die vom Librettisten sehr frei behandelte Geschichte des Täuferreichs von Münster und des von den Täufern zum König gekrönten Jan van Leiden (in der Oper: Jean de Leyde).
Die Liveaufnahme aus Essen stößt im Katalog auf keine große Konkurrenz. Neben einigen meist unzulänglichen Raubmitschnitten gibt es nur die allerdings sehr gute Aufnahme bei Sony (1977) mit der großartigen Marilyn Horne, Renata Scotto, James McCracken sowie dem ‘Royal Philharmonic Orchestra’ unter Henry Lewis.
Aber auch bei mehr Konkurrenz hätte sich die Essener Produktion mühelos ins Spitzenfeld gesetzt, nicht zuletzt weil es die erste Aufnahme nach der kritischen Urtextausgabe ist, in der sämtliche vorher üblichen Striche rückgängig gemacht wurden.
Die Besetzung ist sehr gut. Der Amerikaner John Osborn überzeugt mit einer Stimme, die sowohl den lyrischen als auch den leidenschaftlichen Passagen gerecht wird. Außerdem singt er ein tadelloses Französisch.
Marianne Cornetti ist de Leydes Mutter, Fidès, und sie gibt der Rolle ein starkes Profil. Stimmlich ist sie ganz ausgezeichnet.
Berthe, Jeans Verlobte, wird von Lynette Tapia gesungen. Sie erreicht zwar nicht ganz das Niveau der beiden anderen Hauptdarsteller, aber ihre Darstellung ist glaubhaft.
Die übrigen Rollen sind zufriedenstellend besetzt, aber zum guten Gesamteindruck tragen auch der Chor und das wieder gute Orchester aus Essen bei. Zweifellos ist dafür der Dirigent Giuliano Carella verantwortlich, der ein perfektes Gespür für Meyerbeers Musik entwickelt. Mit viel Kraft und Dynamik, gut gewählten Tempi, einem wunderbar flüssigen, nie schweren, immer transparenten und eleganten Orchesterklang liefert er eine Meisterleistung ab.