Phaëton zählt zu den Werken der Reifezeit von Lully und basierte auf einem Libretto von Quinault. Hier steht alles auf dem Spiel in der Beziehung zwischen Liebe und Macht. Phaëton, Sohn von Helios und Clymene, verlässt von Ehrgeiz getrieben seine Geliebte Théone, um die ägyptische Königstochter Lybie zu heiraten. Deren Geliebter Epaphus, Sohn des Zeus, stellt Phaëtons göttlichen Ursprung in Frage. Phaëton bittet seinen Vater, einen Tag lang den Sonnenwagen lenken zu dürfen, um zu beeindrucken. Sein Vater, durch einen Eid gebunden, stimmt zu. Die Fahrt endet katastrophal. Phaëton verliert die Kontrolle über die Pferde, stürzt ab und setzt Erde und Himmel in Brand. Zeus schlägt Phaëton mit seinem Blitz nieder.
Die Oper wurde im Königlichen Theater von Versailles uraufgeführt, als der Hof Ludwigs XIV. nach Versailles zog. Ihre Botschaft ist, dass niemand so brillant leuchtet wie die Sonne, ergo der Sonnenkönig. Dies ist Lullys einzige Oper, in der niemand um den Tod der Hauptfigur trauert.
Die interpretatorische Idee von Benjamin Lazar basiert auf Deklamationen und Gesten des Barock. Die zeitgenössische französische Aussprache gibt Präzision und Energie, während die barocken Gesten die Interpretation der Sänger als eine historische Aufführung umrahmen. Lazar verzichtet auf Kerzenlicht, die bunte Pracht des Maschinentheaters sowie akribisch reproduzierte Kostüme. Die Inszenierung lässt das Schimmernde und das Raffinierte abwechseln, in Wänden, die oft nackt, dunkel und überwältigend sind, sich aber zu anderen Türen oder anderen Höhlen, wie russischen Puppen, öffnen.
Das Bühnenbild von Mathieu Lorry-Dupuy gelingt weniger überzeugend. Er vermischt die Neuzeit, altes Ägypten und das 18. Jahrhundert ohne erkennbare Linie. Auf zumeist leerer Bühne werden die Kostüme, die sich unschwer auf Russland beziehen, im Laufe der Oper immer extravaganter bis hin zu Star Wars. Ballette werden durch Videos ersetzt. Während der Feierlichkeiten zur Verlobung von Phaëton und Lybie werden Filme aus aller Welt von militärischen Paraden und Sportveranstaltungen zugespielt. Das Finale, die Verbrennung der Erde, wird durch erschreckende Videos von Bränden, Explosionen und verbrannten Landschaften untermalt. Der vierte Akt im Palast des Sonnengottes dagegen ist freundlich leuchtend, hier blenden die goldenen Kostüme des Sonnengottes und seines Hofes. Spiegel auf der Bühne vervielfachten den durchdringenden Blitz, als ob die Sonne wirklich in der Halle schien.
Vincent Dumestre führt ein vereintes Ensemble aus Le Poème Harmonique und Chor und Orchester von musicAeterna. Das Orchester spielt nach etwas müdem Beginn nuancenreich mit Wärme und Präzision sowie Dynamik; glänzend ist die Continuo-Gruppe. Der Chor von musicAeterna bestätigt den positiven Eindruck. Seine Mitglieder haben einen feinen Sinn für das Ensemble, die gleichen Ziele und einen intensiven Antrieb bei ausgezeichneter Dynamik und Phrasierung.
Auch die Sängerriege vereint russische und französische Interpreten. Victoire Bunel als Théone und Elizaveta Svenshnikova in der Doppelrolle als Astrée und Erste Hure verdienen bei den Frauen eine Erwähnung für die Schönheit und Fülle ihres Timbres. Eva Zaïcik gibt eine bescheidene Libyen ab. Eine der eindrucksvollsten Rollen ist zweifellos die von Clymène; Lea Trommenschlager verleiht ihr die volle Dimension, trotz eines hinderlichen Kostüms.
Herausragend sind die beiden Countertenöre Mathias Vidal in der Titelrolle und Cyril Auvity als Sonnengott, Triton und Göttin der Erde. Vidal verkörpert mit seinem heldenhaften Ton perfekt die vorschnelle, ehrgeizige Jugend. Sein Register ist stark und kraftvoll. Auvity war noch überzeugender mit einem lyrischen Ton, eleganten Phrasierungen und einem ebenso kraftvollen hohen Register. Die anderen männlichen Darsteller haben ein exzellentes Niveau. Von Viktor Shapovalovs schallhartem Portée bis hin zu Lisandro Abadies Épaphus, auch Saturn und Jupiter, einem Bariton-Bass mit stolzer Stimme und reichem Timbre und Schauspieler mit souveräner Haltung reicht die Palette.