Im Gegensatz zu den Aufnahmen mit den Passionen und dem Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach ist die Anzahl der Einspielungen der beiden kleineren Oratorien, namentlich des Osteroratoriums (BWV 249) und des Himmelfahrtsoratoriums (BWV 11) überschaubar. Dennoch sollte natürlich jede, die dazu kommt, etwas zu sagen haben.
Und das ist bei der ersten gemeinsamen Produktion des Mainzer Gutenberg-Kammerchors mit dem Leipziger Label Rondeau der Fall – ein Glücksgriff für beide Seiten, der so übrigens gar nicht geplant war: Die Mainzer nahmen 2016 Konzerte mit BWV 11 und zwei Pfingstkantaten auf und kamen erst danach mit Rondeau in Kontakt, wo man nicht nur von der Güte dieser Interpretation unbedingt angetan war, sondern die Aufnahme im eigenen Tonstudio nochmals veredelte. Herausgekommen ist eine Aufnahme, die an Brillanz keinerlei Wünsche offenlässt.
Das, was Felix Koch mit seinem Gutenberg-Kammerchor und dem auf historischen Instrumenten herrlich lebendig musizierenden Neumeyer Consort gelingt, ist ein unglaublich lebendiger Bach, der einen magisch anzieht und dem man unbedingt zuhören will. Diktion und Intonation des Vokalensembles (das zur Zeit der aufgenommenen Konzerte erst im dritten Jahr existierte und nicht aus Profisängern besteht!) ist fabelhaft und klingt ohne jedwede gekünstelte Forcierung knackig frisch und dabei doch wunderbar unangestrengt. Äußerst homogen besetzt schaffen es alle Beteiligten, die von Bach inkludierte Dramatik der recht kurzen Schilderung der Himmelfahrt geradezu plastisch zu schildern. Die Wahl der Tempi ist (verglichen mit Aufnahmen der Profis aus Stuttgart und Amsterdam, die eher das Extrem suchen) ansprechend und vor allem passend zur Musik.
Vom ersten Impuls bis zum Schlussakkord herrscht hier eine knisternde Spannung, was natürlich auch den fantastischen Solisten zu verdanken ist: Jasmin Hörner (Sopran), Julien Freymuth (Altus), Christian Rathgeber (Tenor) und Christian Wagner (Bass), durchweg junge Stimmen, die mit dem Gutenberg-Kammerchor und dem Neumeyer Consort mit seinen delikat spielenden Solisten für diese Musik durchaus so etwas wie eine Traumbesetzung ergeben. Allein die Szene, in der Rathgeber als Evangelist Christus frei gen Himmel entschwinden lässt und man dem Heiland sozusagen entrückt nachschaut, worauf die irdische Gemeinde ‘unten’ einen Choral anstimmt, führt zu einem jähen wie faszinierenden Perspektivwechsel und zeigt beispielhaft, welch großer Dramaturg Bach auch abseits der großen Chorwerke war – und wie klug die Interpreten dies erfasst haben und umsetzen.
Das Himmelfahrtsoratorium wird durch die beiden Pfingstkantaten – ‘Wer da gläubet und getauft wird’ (BWV 37) sowie „O ewiges Feuer, o Ursprung der Liebe’ (BWV 34) ergänzt. Auch hier überzeugen alle Beteiligten auf ganzer Linie, was zu folgendem Fazit führt: Gewiss kann man Bach auch anders musizieren – aber man sollte es nicht.