Arthaus Musik präsentiert im Einvernehmen mit den Erben von Richard Strauss eine 11 DVD-Sonderedition mit den sieben wichtigsten Opern des Komonisten. Christian Strauss leitet die Edition mit folgenden Worten ein: “Am 11. Juni 2014 jährt sich der Geburtstag meines Großvaters Richard Strauss zum 150. Mal. (…) Arthaus Musik gibt nun anlässlich seines Jubiläums die vorliegende Sonderedition heraus, die mit herausragenden Opernaufnahmen auf DVD besticht. Um das Bild des Menschen Richard Strauss zu vervollständigen, haben wir dieser Edition einige Fotos und Dokumente aus dem Familienarchiv beigefügt.” Ein Buch mit Texten der Strauss-Familie und Brigitte Fassbaender sowie nummerierte Faksimile vervollständigen diese Edition. Mehrere Pizzicato-Kritiker haben sich des musikalischen Inhalts angenommen.
Salome; Nadja Michael (Salome), Falk Struckmann (Jochanaan), Peter Bronder (Herod), Iris Vermillion (Herodias), Matthias Klink (Narraboth), Orchestra del Teatro alla Scala, Daniel Harding; Inszenierung: Luc Bondy; 3/07 – Rezension von Alain Steffen
Viele Salome-Aufführungen scheitern an der Sängerin der Titelpartie. Strauss macht es den Interpretinnen ja auch nicht leicht. Seine Salome ist sehr jung, die Sängerin muss also eine gewisse Jugendlichkeit und erotische Ausstrahlungskraft besitzen, um die Figur glaubhaft herüberzubringen. Mit Nadja Michael hat man eine sehr frische Titeldarstellerin gefunden, die hervorragend gut singt, extrem wandlungsfähig ist und zudem blendend aussieht. Nadja Michael ‘ist’ Salome in dieser düsteren, psychologisch weit ausgeloteten und doch sehr lebendigen Inszenierung von Luc Bondy.
Das wird besonders deutlich wegen der guten Kameraführung. Die Kamera klebt förmlich an den Protagonisten und zeichnet demnach auch tiefere Charaktere. Das Bühnenbild ist schlicht, alles konzentriert sich auf die Handlung und die Beweggründe der Personen.
Falk Struckmann ist der Prototyp des Jochanaan, mächtig in der Stimmgebung und dominant auf der Bühne. Der Charaktertenor von Peter Bronder passt exzellent zu Herodes. Iris Vermillion ist eine wundervolle Herodias, Matthias Klink ein sehr lyrischer Narraboth. Daniel Harding überzeugt durch ein extrem spannendes und kompaktes Dirigat.
Elektra; Eva Marton (Elektra), Brigitte Fassbaender (Klytämnestra), Cheryl Studer (Chrysothemis), James King (Aegisth), Franz Grundheber (Orest); Chor und Orchester der Wiener Staatsoper, Claudio Abbado; Regie: Harry Kupfer; 1989 – Rezension von Remy Franck
1989 dirigierte Claudio Abbado an der Wiener Staatsoper eine ‘Elektra’ mit vorzüglicher Besetzung in der packenden Regie von Harry Kupfer und dem nicht weniger eindrucksvollen Bühnenbild von Hans Schabernoch. Die vorliegende DVD zeigt diese hochdramatische und grandiose, im Einklang mit der Musik inszenierte und verfilmte Opernaufführung.
Claudio Abbado lässt das Orchester in kalten, schauererregenden Farben musizieren und stützt die Sänger dabei auch noch erstaunlich gut. Eva Marton singt und spielt die rachsüchtige Atridentochter Elektra mit pathologischer Leidenschaft. Herausragend auch die Klytämnestra Brigitte Fassbaenders: sie vergegenwärtigt nicht so sehr Dekadenz als vielmehr eine durch Gewissensbisse geplagte, zutiefst unruhige Frau – und entspricht damit ausdrücklich den Vorstellungen des Komponisten.
Cheryl Studers fast schon transzendierte Chrysothemis ist ein weiteres Plus der Aufführung. Die beiden Männer, James King und Franz Grundheber erreichen beide nicht das Niveau der Sängerinnen, sind jedoch weitgehend akzeptabel in ihren respektiven Rollen. Ein phänomenales Operndokument, das dem Zuschauer die schwierige Oper ‘Elektra’ auf packende Art und Weise nahe bringt.
Der Rosenkavalier; Gwyneth Jones (Marschallin), Brigitte Fassbaender (Octavian), Lucia Popp (Sophie), Manfred Jungwirth (Baron Ochs), Benno Kusche (Faninal), Francisco Araiza (Sänger), Anneliese Waas (Marianne Leitmetzerin), David Thaw (Valzacchi), Gudrun Wewezow (Annina), Albrecht Peter (Polizeikommissar), Orchester der Bayerischen Staatsoper, Carlos Kleiber; Inszenierung: Otto Schenk; 1979 – Rezension von Remy Franck
Von allen auf Video festgehaltenen ‘Rosenkavalier’-Aufführungen verdienen drei Beachtung, jene von Herbert von Karajan mit der unvergesslichen und unvergleichlichen Elisabeth Schwarzkopf, der wohl idiomatischsten Marschallin überhaupt, der Wiener ‘Rosenkavalier’ mit Carlos Kleiber und dieser Münchner Mitschnitt von aus dem Jahre 1979.
Was Kleiber an eruptiver Klangopulenz, Farben, Emotionen und Dynamik heraufbeschwört, ist phänomenal. Die Besetzung ist herausragend, angefangen bei der prächtigen Feldmarschallin von Gwyneth Jones, die ihre mächtige Stimme durchaus der Rolle anpassen kann, über den kecken Octavian von Brigitte Fassbaender, die exzellente Sophie von Lucia Popp, den draufgängerischen Ochs von Manfred Jungwirth bis hin zu den hochkarätig besetzten Nebenrollen. Die Inszenierung stammt von Otto Schenk und ist entsprechend ‘aristokratisch’ und wahrhaftig.
Ariadne auf Naxos; Sena Jurinac (Komponist), Reri Grist (Zerbinetta), Erik Frey (Haushofmeister), Paul Schöffler (Musiklehrer), Jess Thomas (Bacchus), Kurt Equiluz (Offizier), Jon van Kesteren (Tanzmeister), Wiener Philharmoniker, Karl Böhm; Inszenierung: Günther Rennert; 21/08/1965 – Rezension von Guy Wagner
Welch ein Glück, dass es schon Fernsehen in den Sechzigerjahren Jahren gab und, dass das ORF das Wagnis, – denn ein solches war es noch in jenen Tagen! –, auf sich nahm, die Produktion der Salzburger Festspiele von ’Ariadne auf Naxos’ im August 1965 aufzuzeichnen. Da kommt schon Nostalgie hoch, zumal es mir damals gegönnt war, diese Meisterleistung zu sehen und mit den Künstlern zu reden.
Das Team Rennert-Böhm war in jenen Tagen einer der Fokalisierungspunkte in Salzburg, und es gehörte zum guten Ton, entweder für dieses Tandem zu sein oder für Karajan und ihn selbst, resp. seine vertrauten Partner (Strehler, Ponnelle) als Regisseure. Natürlich warf man dabei ersterem ihre biedermeierhafte Gemütlichkeit vor, ihre Direktheit und damit einen Mangel an Hintergründigkeit. Doch sieht man jetzt, nach fast vierzig Jahren, diese gemeinsame Arbeit des aufeinander eingespielten Duos wieder, so kann man nur sagen: Heutiges Regietheater ist nun wahrlich nicht das Alpha und Omega in Sachen Oper. Wie fein doch die Regie von Rennert war und wie eng bezogen auf das Meisterwerk des anderen Duos: Hofmannsthal-Strauss! Da erwachsen Charaktere in der Komplexität des Geschehens und seiner Spiegelungen und da entwickelt sich die Handlung aus innerer Notwendigkeit! Und dann die vielen schönen Details und die prächtige Besetzung: Nostalgie, Nostalgie!
Zwar bleiben bei Hildegard Hillebrecht als doch überforderte Ariadne und dem noch etwas zu frischen Jess Thomas als Bacchus, oder auch bei den Komödianten, einige Wünsche offen, doch wie überlegen, raffiniert und tiefsinnig etwa gestaltet die reizvolle Reri Grist die Rolle der Zerbinetta, und wie differenziert und überlegen legt Sena Jurinac die Partie des Komponisten aus.
Herrlich sind ebenfalls Jon van Kesteren als süffisanter Tanzmeister und das Trio der Nymphen mit Lotte Schädle, Claudia Hellmann und Lisa Otto. Prächtig ist aber vor allem das Spiel der Wiener Philharmoniker; überlegen dirigiert Karl Böhm, der Freund von Richard Strauss, lässt die Feinheiten der Partitur aufleuchten und sie aus kammermusikalischen Raffinement aufblühen: Nein, das macht ihm wohl kaum einer mit dieser Beschwingtheit nach. Gut, nicht alles kommt von diesen Feinheiten herüber, da die damalige Aufnahmetechnik noch ebenso zu wünschen übrig ließ wie etwa die Kameraführung: Nicht jeder kann eben ein Brian Large, ein Humphrey Burton oder ein Barrie Gavin sein. Der dokumentarische Wert dieser Aufzeichnung und ihrer Veröffentlichung auf DVD kann dafür nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Die Frau ohne Schatten; Peter Seiffert (Kaiser), Luana DeVol (Kaiserin), Alan Titus (Barak), Marjana Lipovsek (Amme), Jan-Hendrik Rootering (Bote), Chor und Orchester der Bayerischen Staatsoper, Wolfgang Sawallisch; Regie: Ennosuke Ichikawa; 1992 – Rezension von Charles Rosenbaum
In dieser hervorragenden, bei einer Tournee der Bayerischen Staatsoper in Japan aufgezeichneten Produktion von ‘Die Frau ohne Schatten’ ist die Harmonie zwischen Bühne und Musik direkt magisch. Sawallisch erreicht einen faszinierenden Grad an Sensualismus (er ist damit weit entfernt von Soltis dramatischer Interpretation),und die Inszenierung durch den Kabuki-Komödianten Ennosuke Ichikawa ist äußerst originell. Seine Vermischung japanischer und westlicher Elemente ist sehr gelungen und passt absolut zum Sujet. Die Besetzung ist ebenfalls ausgezeichnet, und alle Sänger beeindrucken durch stimmliche wie schauspielerische Aktivitäten.
Die Liebe der Danae; Manuela Uhl (Danae), Mark Delavan (Jupiter), Matthias Klink (Midas), Thomas Blondelle (Merkur), Burkkard Ulrich (Pollux), Hulkar Sabirova (Xanthe), Hila Fahima (Semele), Martine Welschenbach (Europa), Julia Benzinger (Alkmene), Katarina Bradic (Leda), Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin, Andrew Litton; Inszenierung: Kirsten Harms; 2011 – Rezension von Manuel Ribeiro
Im Juni 1940 beendete Strauss diese Partitur auf ein Libretto von Joseph Gregor, der seinerseits Motive von Hugo von Hofmannsthal benutzte. Die Partitur war gedruckt, wurde aber 1943 bei einem Brand in Leipzig vernichtet. Glücklicherweise war das Manuskript im Krieg unversehrt geblieben, so dass die Oper 1952 dem Publikum unter Clemens Krauss in Salzburg vorgestellt werden konnte.
Kirsten Harms’ Inszenierung stellt dieses eigentlich eher fröhliche Werk der Mythologie in einen düsteren Kontext, was den Zuschauer zum Nachdenken anregt. Harms’ nicht immer kohärentes Konzept ist dennoch nicht unbedingt als eine Meisterleistung anzusehen.
Manuela Uhl ist sowohl stimmlich wie auch darstellerisch souverän in der Rolle der Danae, bestens sekundiert vom ausgezeichneten amerikanischen Bariton Mark Delavan, einem meisterhaften Jupiter. Der Tenor Matthias Klink ist in den beiden ersten Aufzügen tadellos, aber im letzten Akt klingt seine Stimme manchmal etwas angestrengt. Andrew Litton pflegt die Klangschönheit der Strausschen Orchestration, bleibt aber mit seinem Orchester letztlich etwas blass.
Capriccio; Renée Fleming, Rainer Trost, Dietrich Henschel, Gerald Finlay, Franz Hawlata, Anne Sofie von Otter, Orchestre de l’Opéra National de Paris, Ulf Schirmer; Regie: Robert Carsen; 5/04 – Rezension von Alain Steffen
Capriccio ist die letzte Oper von Richard Strauss, sein Abgesang an diese Gattung und eine letzte Huldigung an die weibliche Stimme, die er so sehr liebte. In den geschickt gestalteten Bühnenbildern von Michael Levine und den Kostümen von Anthony Powell gelingt es Robert Carsen, diese Konversationsoper absolut realistisch und lebendig darzustellen. Zudem hatte Carsen eine exzellente Sängercrew zu Verfügung, die auch durch schauspielerisches Talent überzeugen konnte.
Renée Fleming ist eine grandiose, aber immer sehr menschliche Gräfin, die mit ihrem wunderbaren Gesang durchgehend betören kann. Allerdings klingt die Stimme während dieser Aufführung nicht so frei, wie man es von ihr gewohnt ist.
Carsen wollte keine Primadonnenoper, sondern stellte der Gräfin adäquate Partner zur Seite, eine Besetzung, die bis in die kleinste Rolle stimmt. An der Spitze agieren Dietrich Henschel als Graf und Franz Hawlata als La Roche, dicht gefolgt von Rainer Trost als Flamand und Gerald Finley als Olivier. Als Clairon ist Anne Sofie von Otter eine wahre Luxusbesetzung. Der immer noch unterschätzte Ulf Schirmer dirigiert das ‘Orchestre de l’Opéra de Paris’ mit größtmöglicher Sinnlichkeit, aber auch mit einem exakten Gespür für den Konversationscharakter und die innere Balance des Stückes. Zudem verfällt Schirmer an keiner Stelle dem Kitsch, sondern dirigiert sensibel und sehr stilvoll. Sehenswert!