Der Mensch denkt in Ordnung bzw. Schubladen. Bezogen auf die Musik äußert sich das darin, dass Komponisten einer Epoche zugeordnet werden. Da Epochen jedoch nicht schlagartig anfangen und enden, haben diejenigen Pech, die in einer Zwischenphase leben, also in eine Sandwichposition kommen. Ein solches Schicksal hat auch Franz Xaver Richter ereilt, der nicht mehr im Barock lebte und noch nicht in der Klassik angekommen war. Auf dem Weg dazwischen liegt sozusagen die Mannheimer Schule, in deren Epizentrum er zwei Jahrzehnte agierte.
Allerdings war er ein zurückhaltender Neuerer. So widmet er sich in der eingespielten frühen ‘Sinfonie con fuga’ seinem eminenten kontrapunktischen Können und kaum einer für den Hörer eingängigen thematischen Fortschreibung, wie wir sie von Haydn oder Mozart kennen. Auch die Sinfonia in B-Dur lässt deutlich italienische Tradition erklingen. Fortschrittlich ist dagegen die g-Moll-Sinfonie, die mit rasch aufsteigenden Tonfolgen, bekannt als Mannheimer Rakete, dem Werk energetische Schübe verleiht.
Das Oboenkonzert stellt eine Entwicklung hin zu moderneren Formen dar, wie sie dann in seinen Kammermusikwerken häufig zu finden sind. Bei letzteren ist die Umgestaltung der Continuostimme in eine auch melodietragende Rolle zu vernehmen, die die strikte Trennung in Melodie- oder Begleitinstrument aufhebt und durch partnerschaftliches Musizieren ablöst. Beim Oboenkonzert findet sich die Besonderheit, dass der Solopart ein vom Orchester abweichendes Thema vorstellt und damit auf ungewohnte Weise die Sonatenhauptsatzform der Wiener Klassik vorwegnimmt.
Im Fall von ‘Capricornus’ aus der Schweiz war die ‘Schola Cantorum Basiliensis’ der Ort, der die Kontakte der Musiker zueinander bot und so den Keim für das Ensemble gedeihen ließ.
Seit einem Jahrzehnt widmet sich die solistisch besetzte Gruppe der selten gespielten Musik des Barock und Hochbarock mit Ausflügen wie dem vorliegenden. Der gemeinsame Wille, gerade klein besetzte solistische Stücke wenig beachteter, aber deswegen nicht zu vergessender Komponisten zu spielen, eint die Musiker. Dieser Ansatz führt sie zu erstaunlich lebendigen und gelungenen Darbietungen, wovon man sich auch auf dieser Aufnahme überzeugen kann.
Die Oboistin Xenia Löffler hat nicht nur als Solo-Oboistin der ‘Akademie für Alte Musik’ in Berlin, sondern auch als Solistin bewiesen, dass sie eine herausragende Vertreterin ihres Instruments ist und der Oboe all die warmen Farben entlocken kann, die den Reiz dieses Instruments ausmachen. Mit ihrem Einsatz für Richter zeigt sie eine Facette der nicht eben überbordenden Zahl von Oboenkonzerten, die Lust macht auf weitere Entdeckungen.
Technisch ist die Musik in der Akustik des kirchlichen Aufnahmeortes angenehm eingefangen worden und erlaubt einen einladenden Blick zwischen die Epochen.