Zum 50. Todestag des deutschen Dirigenten Joseph Keilberth veröffentlicht das Label Profil Edition Günter Hänssler diese 10 CD-Box mit historischen Studio- und Liveaufnahmen.
1962 spielte Keilberth mit den Berliner Philharmonikern die Zweite Brahms ein, zwei Jahre vor Karajans revolutionärer erster Berliner Aufnahme. Keilberth ist an den Antipoden dieser Einspielung: er dirigiert eine sehr romantische, bisweilen sogar schwärmerische Zweite Brahms, deren pastoraler Charakter somit sehr betont wird, ohne dass es jedoch an Kraft fehlen würde. Insbesondere der Finalsatz wird sehr zügig musiziert.
Beethovens ‘Pastorale’ hat Keilberth mit ‘seinem’ Orchester, den ‘Bambergern Symphonikern’, eingespielt, deren Chefdirigent er von 1951 bis zu seinem Tod im Jahre 1968 war. Die Bamberger waren damals, wie viele Orchester, nicht auf dem Niveau, das sie heute haben, aber Keilberths farbbetontes, naturhaftes und irgendwie auch gutmütiges Dirigieren ist schon interessant.
Als diese Aufnahme bei Telefunken erschien, war sie mit Schuberts ‘Unvollendeter’ gekoppelt, die auch in dieser Box enthalten ist. Es ist eine eher schlichte Darbietung.
Ebenfalls in Bamberg wurden die Max Reger-Aufnahmen gemacht, die 1957 richtige Glanztaten waren und auch heute noch als wertvoll eingestuft werden müssen.
Eine Reihe von deutschen Ouvertüren wird hier mit verschiedenen Orchestern in zum Teil wirklich spannenden Aufnahmen vorgelegt.
Eine der ältesten Einspielungen stammt aus dem Jahre 1941: es ist Bruchs Violinkonzert mit dem Geiger Georg Kulenkampff in einer sehr warmherzigen Interpretation.
Ferner gibt es eine ganze Schumann-CD mit dem Kölner Rundfunkorchester. Annie Fischer ist die ebenso vitale wie poetische Interpretin des Klavierkonzerts, während Keilberth die Vierte Symphonie sehr zupackend, im ersten Satz regelrecht jubilatorisch dirigiert. Eine packende Interpretation!
Die zu Lebzeiten bekannte und beliebte deutsche Pianistin Rosl Schmid hat viel mit Keilberth zusammen gearbeitet. Eine Liveaufnahme von 1951 aus Köln zeigt die Pianistin in Hans Pfitzners Klavierkonzert auf der Höhe ihrer Gestaltungskunst. Es beeindrucken sowohl das Gespür für dramatische Entwicklungen als auch für lyrische Empfindungen, vor allem im 3 Satz (Äußerst ruhig, versonnen, schwärmerisch).
Die letzte CD der Profil-Box enthält den bereits mehrfach veröffentlichten Livemitschnitt von Bruckners Neunter Symphonie, der 1960 mit den Berliner Philharmonikern in Salzburg gemacht wurde. Es ist eine in den ersten drei Sätzen sehr vitale, extrem spannende und leidenschaftliche Aufnahme. Auffallend ist das kontrastreiche Musizieren des Orchesters, mit sehr prägnantem Holz und Blech, wo wirklich brillante Farben entstehen. Der letzte Satz ist außerordentlich differenziert, zwischen tiefem Schmerz und innerer Ruhe. Eine großartige Aufnahme, die entgegen anderen Dokumenten in dieser Box leider etwas kompakt im Klang ist. Es ist eine Mono-Aufnahme, während andere Einspielungen aus derselben Zeit bereits in Stereo gemacht wurden.
Schlussfolgernd kann man sagen, dass dies eine willkommene Hommage an einen großen Dirigenten ist, dem die letzten Meter bis zu Genialität wohl meistens fehlen, aber als solider Handwerker immer zu überzeugen weiß.