Vom legendären Dirigenten Serge Koussevitzky gibt es viele Aufnahmen mit dem Boston Symphony, dem Orchester, dessen Music Director er von 1927 bis 1949 war. Somm präsentiert nun die erstmals veröffentlichten Livemitschnitte der 5. Symphonie von Tchaikovsky und der Zweiten von Sibelius mit dem London Philharmonic, neben denen auch eine gut gemachte, sehr interessante Dokumentation über den Dirigenten und seinen Interpretationsstil zu hören ist.
Die mit kräftigem Rubato, spontanen Akzenten und manchmal packendem Tempoantrieb dramatisch gestalteten Ecksätze und ein äußerst düsteres Andante kennzeichnen Tchaikovskys Fünfte Symphonie. Hinzu kommen gestalterische Einfälle von einem staunenswerten Detail-und Farbenreichtum. Gewiss, die Interpretation ist aufs Ganze gesehen höchst diskutabel, aber der musikalischen Kraft, die darin enthalten ist, kann man einfach nicht widerstehen.
Nicht weniger fesselnd ist die Interpretation der 2. Symphonie von Sibelius, deren aufgewühlten Charakter wohl nur Dmitrij Kitajenko so packend dargestellt hat.
Das Konfliktuelle des ersten Satzes und die kräftigen Kontraste des zweiten mit seinen heftigen inneren Konfrontationen ziehen den Hörer völlig in die geheimnisvoll brodelnde Welt von Sibelius hinein. Danach katapultiert uns das Vivacissimo in die Lüfte, denn der Satz wird zu einem jähen Nachtstück, bei dem der Hörer vorübergehend auf einer himmlischen Wiese zu landen scheint, ehe der Ritt uns wieder hinausschleudert ins weite All. Was Koussevitzky in diesem Satz mit einer formidablen Spontaneität inszeniert, ist geniale dirigentische Kunst.
Das Finale gestaltet er mit ebenso grandioser Kraft, so dass man am Ende eine außergewöhnlich ereignisreiche Zweite Sibelius gehört hat, die man so leicht nicht vergessen wird.
There are many recordings of the legendary conductor Serge Koussevitzky with the Boston Symphony, the orchestra of which he was Music Director from 1927 to 1949. Somm now presents the first release of live recordings of Tchaikovsky’s 5th Symphony and Sibelius’s Second with the London Philharmonic, alongside a well-made, very interesting documentary about the conductor and his interpretive style.
Tchaikovsky’s Fifth Symphony is characterized by the dramatically shaped outer movements with powerful rubato, spontaneous accents and sometimes gripping tempo drive, and an extremely somber Andante. In addition, there are creative ideas of an astonishing richness of detail and color. Certainly, the interpretation as a whole is highly debatable, but its musical power is simply impossible to resist.
No less captivating is the interpretation of the 2nd Symphony by Sibelius, whose agitated character has probably only been portrayed so grippingly by Dmitrij Kitajenko.
The conflictual nature of the first movement and the powerful contrasts of the second, with its fierce inner confrontations, draw the listener completely into Sibelius’ mysteriously seething world. After that, the vivacissimo catapults us into the air, as the movement becomes an abrupt night piece in which the listener seems to land temporarily in a heavenly meadow before the ride hurls us out again into the vastness of space. What Koussevitzky achieves to show in this movement with formidable spontaneity is supreme art of conducting.
He shapes the finale with equally grandiose power, so that in the end one has heard an extraordinarily eventful Second Sibelius, which one will not easily forget.