Johannes Moser
Photo: Manfred Esse / Haenssler Classic

 – Ein Interview von Remy Franck  –

Johannes Moser, geboren 1979 in München als Sohn einer angesehenen Musikerfamilie, absolvierte sein Cello-Studium bei Prof. David Geringas. Bereits während des Studiums errang er erste Preise beim Internationalen Davidoff Wettbewerb 2000 in Riga und beim Mendelssohn-Wettbewerb Berlin 2001. Der 1. Preis beim Moskauer Tchaikovsky-Wettbewerb im Jahre 2002 markierte für den Cellisten Johannes Moser den Beginn einer internationalen Karriere. Remy Franck hat sich mit dem Künstler unterhalten.

Herr Moser, es gibt heute viele sehr gute Cellisten, allein in Deutschland gibt es mehrere davon….
Allerdings!

…und Sie sind einer von ihnen. Ist der Konkurrenzdruck eigentlich groß?
Ja und nein! Regional gibt es ihn schon, aber wir (die deutschen Cellisten, Anm, d. Red.) sind ja auch so genannte Exportschlager und spielen viel außerhalb Deutschlands, ich z.B. viel in Amerika und auch in Asien. Der Druck wäre sehr hoch, wenn wir uns alle nur in Deutschland tummeln würden.

Aber Marketing ist heute doch etwas, worum man sich als Künstler kümmern muss…
Ja, und dadurch, dass sich eben jeder um Marketing kümmert, mit oder ohne PR-Berater, hört man auch viel mehr von den Musikern als früher. Es besteht jedoch auch die Gefahr, dass jemand, der vielleicht instrumental nicht so gut ist, es aber unglaublich gut versteht, sich zu präsentieren, mehr Aufmerksamkeit bekommt als ein stiller Künstler. Ich nenne einfach mal den Namen Miklos Perenyi, der nicht unbedingt ein PR-Genie ist, aber jetzt, gegen Ende seiner Karriere, vielen Leuten als ganz besonderer Künstler auffällt.

Und in diesem Umfeld der Selbstdarstellung und des Kontakts mit dem Publikum geschieht ja noch mehr. Sie z.B. bemühen sich, dass in den CD-Produktionen Texte von Ihnen und Interviews über Sie vorhanden sind, die Interpretationen erklären, die sagen, warum Sie gewisse Werke in ein Programm integrieren. Diese Background-Informationen halte ich persönlich für sehr wertvoll, weil sie uns, den Hörern, den oder die Künstler etwas näher bringen. Für Sie bedeutet es freilich eine hohe Investition an Zeit.
Ja, das kostet Zeit, und ich bin am Überlegen, ob sich dieser ganze Aufwand überhaupt noch lohnt.

Oh, bitte, doch!
(lacht) Ja, mir macht das ja auch Spaß, aber wenn ich am Tag nur 10 Stunden Arbeitszeit zur Verfügung habe und davon ein Drittel für administrative Arbeit draufgeht, dann fehlt diese Zeit für das Instrument und die künstlerische Wahrheitsfindung.

Administrative Arbeit …. das klingt so richtig nach einer Firma.
Ich bin auch eine Firma, ich bin die Firma Johannes Moser, die ich hoffentlich irgendwann gewinnbringend am Markt platzieren kann. Ich bin zunächst einmal ein Ein-Mann-Unternehmen, arbeite aber natürlich mit meinen Agenten und den verschiedenen Leuten zusammen, die eben einen Booklettext dann auch begleiten. Und irgendwie ist es schön, dass ich mich nicht nur in den künstlerischen Sphären bewegen muss, sondern auch sehr bodenständige Arbeit erledigen kann.  Etwas, was vielen Musikern fehlt, ist eine gewisse Bodenhaftung. Sie verlassen den Planeten Erde als solchen geistig und schweben einfach nur noch herum.

Eine Relation mit dem Publikum bauen Sie natürlich auch im Konzert auf…
Klar! Ich schaue mir mein Publikum an, bevor ich spiele, um mir auch klar zu machen: Für wen mache ich das eigentlich? Ich selber war in vielen Konzerten, wo ich das Gefühl hatte: Da wird einfach nur Luft zum Schwingen gebracht, weil es eben so auf der Eintrittskarte steht, aber es entsteht nicht Musik von Menschen für Menschen. Und das soll es doch gerade sein: Eine Konversation, ein Zwiegespräch! Ich erlebe ja mein Publikum und kann auch auf es eingehen. Darum sind Konzerte einfacher zu spielen als Aufnahmen, weil ich im Konzert ein direktes Feedback habe und eine unmittelbare Diskussion führen kann.

Kommt es nicht vor, dass Sie wenig vom Publikum spüren?
Sicher, das gibt es, und das sind dann die schweren Stunden im Beruf. Man muss bedenken: Ich stelle mich bis ins kleinste Detail in Frage. Zuhause in meinem Überraum versuche jede Note umzudrehen und irgendwie eine Philosophie zu entwickeln oder auch in Zusammenarbeit mit meinen musikalischen Partnern einen spannungsvollen Abend zusammenzusetzen. Wenn das Ganze dann ins Leere läuft, ist das schon sehr enttäuschend. Aber dagegen ist man auch machtlos. Freilich lasse ich lieber den Abend ins Leere laufen, als durch irgendeine besondere Gestik, fliegende Haare oder was es nicht noch alles an sekundären Tugenden gibt, zu beeindrucken. Manchmal hilft es, wenn man ein Stück erklärt.

Das machen Sie dann auf der Bühne und das kommt beim Publikum auch gut an?
Ja, ich doziere ja nicht, sondern ich finde zwei, drei Punkte, die ich kurz erkläre. Ich halte ja keinen Riesenvortrag.

Sie spielen solo, Kammermusik und Konzert. Gibt es da eine Vorliebe? 
Ich erlebe ganz stark, dass sich Kammermusik und solistische Konzerte mit Orchester unglaublich ergänzen. Ich mache ja mit Orchester eigentlich eine große Kammermusik, indem ich mir den Dirigenten und Konzertmeister zum Partner nehme und mit denen versuche, etwas Dynamisches zu entwickeln. Und in der Kammermusik ziehe ich unglaublich viel Profit aus meiner Erfahrung als Solist auf der Bühne, wenn es denn um tonliche Dinge oder um Fragen der Stimmführung geht, z.B. um das symphonische Durchhören einer Brahmssonate. Insofern genieße ich beide Formen, die ich fast gleichwertig praktiziere. Sehr schwierig finde ich es, Konzerte ganz alleine zu bestreiten. Ein Abend mit Bachsuiten oder Solowerken des 20. Jahrhunderts ist wirklich schwer, man hat keinen Partner, dem man sozusagen die Bälle zuspielen kann, man ist ständig in seinem eigenen Monolog gefangen, und so viel Spaß diese Sachen machen, so schwer sind sie zu bewältigen. Dann gibt es noch etwas, was ich eher selten praktiziere und was mir auch sehr viel Spaß macht, die Improvisation. Das muss jetzt nicht am Jazz orientiert sein oder an Neuer Musik, sondern das ist einfach elektronische Musik, die ich mit meinem Elektrocello praktiziere, und die zunächst einmal wertfrei sein kann. Ich kann mich beim Experimentieren eigentlich ganz fallen lassen, ich kann sagen: Das muss nicht gut werden, sehen wir mal, was dabei raus kommt…

Dazu braucht es aber einen gewissen Rahmen…
Klar, das mache ich nicht in der Carnegie Hall, hoffentlich nicht!

Sie sagen Carnegie Hall: Sie spielen viel in Amerika und Asien. Wie viele Konzerte sind das so im Jahr?
Das ist ein sehr gesundes Maß von etwa 75 Konzerten maximal im Jahr, und das gibt mir auch genug Zeit, mich zu entwickeln und zu hinterfragen und aus der Rolle des Konzertsolisten ein wenig auszusteigen. Das Touring ist ja eigentlich eine große Illusion. Es ist die Illusion, im Grunde machen zu können, was man will, und alle finden es trotzdem irgendwie gut oder geben einem zumindest dieses Gefühl. Das sehe ich vor allem bei großen Dirigenten, dass die nicht mehr die Zeit haben, sich selbst zu hinterfragen und auch nicht mehr das in Frage stellen, was sie machen.

Das heißt, in Zukunft wird es Aufnahmen geben ‘Johannes Moser spielt und dirigiert’.
Ich hoffe nicht! Das ist natürlich schon fast eine Epidemie in den letzten Jahren. Nicht nur die Cellisten, sondern auch die Geiger hat es jetzt erfasst. Es ist wirklich schon extrem geworden und sicher nicht immer zu ihrem Vorteil. Manchmal geht es gut, aber eben nicht immer, und dann denke ich: Muss das sein? Und wenn ich jemanden nach der Motivation frage, kommen oft ganz banale Antworten, etwa, dass man mit weniger Anspannung und Arbeit mehr Geld verdienen könne. Also, ich habe wirklich keine Lust, mich vor einem Orchester zerfleischen zu lassen, denn das passiert Dirigenten nämlich ziemlich oft. Ich habe dann die Möglichkeit, dadurch, dass ich als Solist daneben sitze, als lachender Dritter, mir diese Grabenkämpfe zwischen Dirigent und Orchester anzusehen.

Sie haben 2002 den Tchaikovsky-Wettbewerb gewonnen, und damit war klar, dass Sie doch Solist werden würden. Dachten Sie von Anfang daran oder dachten Sie auch an eine Orchesterkarriere, Zerfleischungsprozess für Dirigenten inbegriffen?
Ursprünglich war das eigentlich meine Motivation. Ich wollte genau wie mein Vater, der im Orchester des Bayrischen Rundfunks Cellist ist, eine Orchesterkarriere anstreben. Nach dem Wettbewerb hat sich eigentlich nicht wirklich viel an meiner Konzertsituation geändert. Ich habe trotzdem überlegt, ob ich nicht vielleicht Solist werden könnte. Mit viel Eigeninitiative hat sich dann etwas bewegt.

Auf Ihrer Webseite gibt es eine Liste von Stücken, die Sie spielen. Darunter sind Konzerte, die man recht selten hört, Martinu, Kabalewski, Volkmann, Herbert, sogar ein Cellokonzert von Friedrich Gulda. Spielen Sie diese auch wirklich regelmäßig? Sind diese Stücke vorrätig und können Sie sie jederzeit abrufen?
Ja, eigentlich schon, und immer regelmäßiger. Das Hindemith-Konzert spiele ich in dieser Saison mehrmals, Martinu einmal, das Carter-Cellokonzert ist auch schon angedacht. All diese Stücke machen erst Karriere, wenn einer mutig genug ist oder andere Veranstalter merken: Aha, das ist schon einmal gelaufen, die Leute haben nicht mit Tomaten geschmissen, also kann das ja gar nicht so schlecht seinl. Außerdem hatten die meisten Konzertveranstalter das Dvorak Konzert-schon 500 Mal und so sagen sich halt, ein Hindemith-Konzert sei ja nun auch nichts Alltägliches. Ich spiele diese Stücke einfach wahnsinnig gerne und ich klemme mein Herzblut dahinter.

Es gibt ja Pianisten und Geiger, die im Jahr nur zwei oder drei Konzerte spielen, die sich also doch sehr stark begrenzen.
Mich würde das langweilen! Es geht mir manchmal schon so mit Recitalprogrammen, weil ich die nicht so sehr austauschen kann. Und wenn ich dann mit zwei Programmen herumfahre, merke ich schon nach dem sechsten Mal, dass sich Routine einschleichen könnte. Dann muss ich viel Energie aufbringen, um dem entgegenzuwirken.

Das ist ja ein Prozess, der von vielen verschiedenen Faktoren abhängt, vom Publikum und auch möglicherweise vom Tagesgeschehen…
Es gibt Konzerttage, wo ich mich nicht so gut fühle, doch dann kommen meistens die Konzerte raus, wo ich positiv überrascht bin, manchmal aber auch negativ, leider… Es gibt immer wieder Situationen, mit denen ich nicht gerechnet hatte. Neulich passierte mir das mit dem Elgar-Konzert, das emotional so stark ist, fast schon überladen für unser Verständnis von Emotionen im 21. Jahrhundert, so, dass man sich selber schon fast schützen muss vor diesem Überschwang an Emotion. Also, ich hatte nicht besonders viel geschlafen an diesem Konzerttag, habe mich hingesetzt und eben angefangen. Und ich habe plötzlich gemerkt, wie ich mitten drin war und die Musik war einfach stärker als mein Unmut. Das sind die wunderbaren Momente, wenn die Musik einen so zusagen wieder frisch erreicht.

In der Kammermusik machen Sie vor allem, zumindest mal nach Ihren Platten zu urteilen, Duoprogramme z.B. viel mit Paul Rivinius am Klavier. Ist er Ihr ständiger Klavierbegleiter oder arbeiten Sie auch mit anderen zusammen?
Er ist mein Klavierpartner, denn inzwischen verstehen wir uns auch ohne Worte. Unser Ziel ist absolute Homogenität, Homogenität auch in der Idee. Es ist, glaube ich, nicht so sehr das Gefühl, unbedingt etwas Konträres erreichen zu wollen, um dadurch eine Spannung zu erzeugen, ich glaube nicht, dass das unser Ziel ist.

Und Quartett?
Quartett wird auf so einem Level produziert, dass ich damit nicht in die Öffentlichkeit treten würde. Ich liebe Quartette und ich liebe es, stillvergnügt Streichquartett zu praktizieren, mehr nicht!

Sie haben in Ihren Konzerten und Platten schon manchmal eine ganz besondere Werkzusammenstellung. Sie spielen, wie bereits besprochen, viele weniger bekannte Konzerte. Haben Sie auch einen Zugang zur Neuen Musik, geben Sie Aufträge?
Ich fange jetzt an, Aufträge zu geben. Zurzeit wird ein Konzert für Elektrocello und Orchester für mich geschrieben, was natürlich mit dem normalen Cello wenig zu tun hat, denn es werden viele elektronische Effekte dabei sein. Vor kurzen habe ich in Israel das Klaviertrio von Christian Jost uraufgeführt, ich habe die deutsche Erstaufführung von Elliot Carters Cellokonzert gespielt, also da sind schon einige Werke dabei, die neueren Datums sind und mich interessieren. Für viele endet die Moderne mit Shostakovich, und das kann ja wohl nicht sein. Das Problem ist natürlich, in einem relativ dichten Zeitplan auch noch Werke auszuprobieren, um zu sehen, ob man die denn überhaupt spielen will, ob man einen Zugang findet. Deswegen bin ich sehr auch auf Berater angewiesen, die mich sozusagen leiten, die mir Hinweise geben auf Werke, die sie gehört haben.

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