Robert, Du bist am Anfang einer internationalen Pianistenkarriere. Wann hast Du gewusst, dass Du einmal Pianist werden wolltest?
Da ich in einer Musikerfamilie aufgewachsen bin, kam ich praktisch von Beginn an – zumindest nach Erzählungen, noch bevor ich mich an etwas erinnern konnte – mit Musik aller Art und auch mit anderen Musikern in Kontakt. Solange ich denken kann, war die Musik Lebensinhalt. Darin bin ich hineingewachsen, ein Haus ohne Üben, Proben, Hören und Konzerte, ohne den ganzen Lärm überhaupt wäre für mich gar nicht denkbar.
Kam nie ein anderes Instrument in Frage?
Zwar spielte ich sieben Jahre lang Geige, was meine allgemeine musikalische Bildung förderte und mir half, auch einer anderen Instrumentengruppe deutlich näherzukommen, das Klavier aber übte stets eine weitaus größere Faszination auf mich aus, da es der Orgel und dem Orchester am ähnlichsten ist und mir in den grenzenlosen Tiefen seines Spektrums Freiheit und Raum zum Phantasieren schenkt.
Gibt es ein Leben neben dem Musizieren? Hast Du Hobbys? Oder musst Du den Herausforderungen am Klavier alles unterordnen?
Mein Tag ist so lang wie bei jedem anderen auch. Natürlich ist er überwiegend durch den musikalischen Alltag gezeichnet, durch das maßvolle Üben sowie Komponieren und regelmäßige Konzertbesuche aus Interesse an Interpreten, Werken und der aktuellen Musikerwelt. Ferner lasse ich mich aber auch leicht für Antiquarisches begeistern und beschäftigte mich beizeiten mit Altphilologie und Philosophie in der griechischen und lateinischen Literatur. Das, was einst mein primäres Hobby war, hat sich mit der Zeit zu einer zentralen Beschäftigung gewandelt. Aber diese kann nicht zur Last werden, da ich um der Faszination eines jeden Momentes beglückt bin.
Bei Sportlern gibt es das Problem des ‘Übertrainierens’ – wie sieht das für einen jungen Pianisten aus? Wie lange kann/ darf er üben? Was hält der Körper, vor allem, was halten die Finger und Hände aus?
Es gibt zweifellos ein körperlich gesundes Maß an Üben. Überschreitet man dieses, kann es unter Umständen unschöne physische Konsequenzen haben. Unabhängig davon gibt es auch ein vernünftiges Maß an Üben, welches keineswegs mit dem gesunden übereinstimmt, da die physische Belastungsfähigkeit – zumindest bei einer von Kindheit auf geschulten Technik – bei weitem die Fähigkeit des mentalen Fokussierens übersteigt. Bei konzentriertem effektiven Üben stellt sich also nicht zwingend die Frage nach der Belastbarkeit der Muskulatur und des Spielapparates, sondern vielmehr die, wann Konzentration und Effizienz aufgrund von geistiger Ermüdung sinken. Was die physische Kondition betrifft, haben die Pianisten, ehrlich gesagt, gute Karten. Der erwähnte Spielapparat ist bei uns natürlich und symmetrisch ausgerichtet, im Gegensatz zu der Spielposition vieler anderer Instrumente.
Ein Pianist hat viele Möglichkeiten zum Konzertieren: Solo, als Solist mit Orchester, als Kammermusiker. Hast Du da Präferenzen?
Da ich mich bereits in allen Konstellationen versuchte und jede einzelne von ihnen eigene Reize darzubieten hat, habe ich auch vor ihnen weiterhin nachzugehen. Ich versuche mein Repertoire in Bezug auf die verschiedenen Besetzungen ausgewogen zu gestalten. Immer wieder gelingt es mir, ein Klavierkonzert als ein kammermusikalisches Ereignis zu erleben, gleichsam kann auch Kammermusik zu einem Klavierkonzert mutieren, und bisweilen wird man sogar in einem Klavierabend zum eigenen Dirigenten.
Wie allein fühlst Du Dich in einem Klavierabend?
Bin ich denn wirklich allein? Ich fühle mich nicht einsam, sondern eher wohl, da ich zum einen das Publikum habe, Freunde, Menschen, mit denen es etwas zu teilen gibt, und zum anderen mein Instrument, das mir die Vollständigkeit dessen verleiht, was ich auszudrücken habe. Manche vergleichen ein Konzert mit einem Menschen, der mit einem wilden Tier in die Arena gelassen wird. Das ist keinesfalls so abwegig, wie es zunächst klingen mag, denn man muss sich erst dessen bewusst sein, dass ich als Pianist nicht mit dem Instrument kämpfen will. Nein, vielmehr schlüpfe ich in die Rolle eines Tierbändigers, mit dem Ziel, das Vertrauen des Flügels zu gewinnen. Ganz gleich, wie er beschaffen ist, ob alt, kraftvoll, dumpf oder aggressiv, scheint mir wichtig, nichts zu erzwingen, sondern dem Wechselspiel von Flügel und Interpret seine Zeit zu lassen, damit ein vielseitiges Resultat zum Vorschein kommt. Der Vergleich scheint mir auch insofern recht treffend zu sein, als man sein Instrument eben geradezu wie ein lebendiges Wesen zu behandeln hat und damit Vorgänge evoziert, die auf vielen verschiedenen Ebenen stattfinden und die es gerade sind, welche die Kunst für mich zusammensetzen und zum Leben erwecken.
Das Klavierrepertoire ist immens – wo fließt am meisten Herzblut? Was liebst Du am meisten? Hat es da schon mit der Zeit Änderungen gegeben?
Müsste ich mich entscheiden und konkret antworten, so beurteilte ich die Komponisten und stellte sie in eine, wenn auch nur persönliche Rangordnung, was ich aber nicht möchte. Man sollte aber von allen genialen Komponisten der letzten Jahrhunderte Werke studieren und von jedem lernen. Festlegen kann ich mich dabei nicht, mich beeindruckt vielmehr eine Vielzahl von Kompositionen verschiedenster Epochen, besonders aber, da der Einblick in sie so direkt ist, die, mit welchen ich mich zum jeweiligen Zeitpunkt intensiv beschäftige.
Du komponierst auch. Wie bist Du dazu gekommen?
Mit dem Komponieren muss es ähnlich wie mit dem Klavierspiel überhaupt gewesen sein. Seitdem ich Noten lesen und schreiben konnte, versuchte ich Musik zu schreiben, erst auf sehr primitivem Niveau, bis ich nach und nach verschiedene Stile erkundete, wobei alles dem improvisatorischen Hintergrund entsprang. Beides, die Improvisation wie das Komponieren haben sich von selbst ergeben, aus meinem Bedürfnis, mich unabhängig von bereits Geschriebenem selbst auszudrücken.
Welche Bedeutung für die Entwicklung Deiner Karriere hatten/ haben die Internationale Musikakademie Liechtenstein und das ‘Festival Next Generation’?
Die bald drei Jahre an der Akademie in Liechtenstein mit ihren einzigartigen Intensivwochen, die sich insofern von herkömmlichen Meisterkursen unterscheiden, als sie – wie der Name schon sagt – sehr effektive tägliche Arbeit mit den Professoren, auch auf sozialer Ebene, gewährleisten, haben mich sowohl professionell durch die anregenden Diskussionen und das hohe Gesamtniveau der Studenten, als auch menschlich, infolge der vorherrschenden gesellschaftlichen Komponente, dem angenehmen Klima des Studentenheimes, und durch die individuelle Fürsorge und ganzheitlich geförderte Ausbildung, erheblich bereichert.
Ähnlich verhält es sich auch mit dem Next Generation, welches eine internationale Ansammlung von uns jungen Musikern in sich zusammenschließt und zugleich eine fast familiäre Atmosphäre schöpft, in der man Kontakte knüpfen und Freundschaften schließen kann.
Und was bedeutet der ICMA Discovery Award?
Es ist für mich eine außergewöhnlich große Ehre, von einer solch hochkarätigen Jury derart ausgezeichnet worden zu sein. Ich freue mich, dabei sein zu dürfen und in Leipzig in einem so traditionsreichen Haus mit einem nicht weniger großartigen Orchester spielen zu dürfen. Daher werde ich in Zukunft nach Möglichkeit in allem versuchen, dessen gerecht zu werden.