Der 1983 in Brüssel geborene Pianist Sébastien Dupuis gehört zu jenen vielen jungen Musikern, die um ihren Platz im Musikleben kämpfen müssen. Dupuis, der heute in Zürich lebt, hat gewiss keinen überfüllten Terminkalender, aber er bleibt auch nicht traurig zuhause sitzen. In seiner neuen Heimat organisiert er Salonkonzerte mit Champagner-Verkostung, und seine erste CD der Liszt-Trilogie hat er mit Crowdfunding finanziert. Damit konnte er die Aufnahmen in Polen bezahlen, und die CD bei Dux veröffentlichen lassen.
Das Label bediente ihn bestens, denn der Klavierklang ist genauso wie ich ihn mir wünsche, präsent, nicht zu trocken, aber auch nicht hallig, kräftig konturiert, mit präzisem Bass und klarer Höhe. Und genau so natürlich klingt auch das Spiel des Pianisten. Natürlich, aber beileibe nicht beiläufig.
Die vier Scherzi von Frédéric Chopin spielt er sehr zupackend: bei diesem Pianisten sind gewiss nicht die Nuancen die wichtigsten Interpretationselemente. Er bevorzugt kräftige Kontraste und im Grunde eine sehr eigenwillige Rhythmik. Aber neben den dramatischen Ausbrüchen und brillanter Virtuosität gibt es auch viele sanfte Passagen mit weichem Anschlag, in denen Dupuis’ Spiel immer kantabel bleibt. Dem Klavier kann er aber auch verschiedene Farben entlocken, was seine Mazurka op. 176 denn auch farblich sehr von den Scherzi abhebt. Was er mit der ‘Lugubre gondola’ beabsichtigt, will mir nicht einleuchten, denn die Musik klingt bei ihm weder finster, noch düster oder traurig.
In den drei ersten ‘Etudes d’exécution transcendante’ wirkt Dupuis’ Spiel fast ekstatisch. Der Musikfluss ist gewaltig und voller Kraft. Auch kann Dupuis die einzelnen Stücke sehr gut differenzieren. Und es widerstrebt ihm offensichtlich, die Rhythmik zu glätten, wie es andere Pianisten machen. So erinnert seine ‘Mazeppa’-Etüde an die rhythmisch sehr charakteristische Art und Weise, wie György Cziffra dieses Stück spielte. Wie richtig mein Eindruck war, zeigte mir im Nachhinein der Booklet-Text, in dem der Pianist erklärt, er habe die ‘Etudes d’exécution transcendante’ zum ersten Mal mit Cziffra gehört. Solche ersten Eindrücke vergisst man eben nicht. Ich hatte diesen Cziffra mit denselben Werken in jungen Jahren live gehört und unauslöschliche Höreindrücke aus dem Konzert mitgenommen.
Dass Dupuis, solche Erinnerungen weckt, ist gewiss kein kleines Lob!