Dass die historisierende Aufführungspraxis seit den Anfängen in den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts selbst schon eine Geschichte hat, ist gewusst. Eine weitere Entwicklung in der Technik und dem daraus realisierten Ausdruck zeigt Vittorio Ghielmi für den Bereich der Gambenmusik auf. In jüngst in Salzburg im Archiv aufgefundenen Manuskripten finden sich nicht nur hier erstmals eingespielte Werke, sondern auch minutiös, man möchte fast schreiben sekundiös auf Marais bzw. seine Schüler zurückgehende Spielanweisungen, die pro Ton eine Handvoll Angaben zur Gestaltung vorgeben. Ghielmi zieht den Schluss, dass diese Vorgaben nur mit einer umgestellten Spielweise umsetzen lassen. Dass diese Quellen den Schlüssel zum Geheimnis der Ansichten des Marin Marais bergen, da ist sich Ghielmi sicher.
Die klingende Umsetzung von Ghielmi, Luca Pianca und dem Il Suonar Parlante Orchester jedenfalls bietet, wie die Einspielungen dieser Musiker zumeist, höchst lebendige Musik, die die Musik wie gestaltete Rede behandeln, so dass man quasi Text hinter dem Gespielten hören mag. Fast überfallartig quicklebendig gelingt so der Einstieg in die Aufnahme. Doch sie bietet weit mehr als nur einen effektvollen Anfangsreiz. In jedem Sinne aussagekräftig entfaltet sich eine sowohl virtuose wie auch aushorchende klingende Landschaft, die mit Unmittelbarkeit und Gestaltungsfreude anspricht und Hörfreude bereitet.