… da schreibt das Leben Geschichten. Die Osteria, in der Falstaff zu Hause ist und residiert, eröffnet und durchzieht diese Inszenierung. Diese Oper handelt von diesem Lebemann, der verarmt ist und nun Frauen für sich gewinnen will, um an das Geld ihrer Gatten zu kommen. Er wird enttarnt und gepiesackt werden. Nebenhandlungen, die in Hochzeiten gipfeln, komplettieren die verwirrende Handlung.
Obwohl eine komische Oper, ist Falstaff selber keine komische Figur, sondern bitterernst in einer komischen Handlung gefangen. Diesen sprühenden ironischen Witz hat Regisseur Laurent Pelly seinem Falstaff mitgegeben, der normal und zugänglich ist. Die gelungene Personenregie trägt das Stück. Ob die Verlagerung in die jüngere Vergangenheit so passend ist, kann man fragen. Alle Mitwirkenden spielen glaubwürdig und witzig, es kommt keine Langeweile auf. Das Bühnenbild von Barbara de Limburg bietet eine naturalistische Umgebung, die den Kontrast zwischen Falstaffs zwielichtiger Welt und der der Lustigen Weiber, einer massiven Holzarchitektur wie in einem Gerichtssaal, herausstellt.
Roberto De Candia als Falstaff wird als alternder Säufer gezeichnet, der mit seinen Charme trotzdem die Sympathie hält. Stimmlich kommt es auf Präsenz und flexible Führung an. De Candias Bariton besitzt beides und stellt somit einen soliden Protagonisten auf die Bühne. Sein lyrischer Bariton mit schwachen tiefen Tönen und einem Mangel an Farbe führt manchmal die Bandbreite der Figur ein. Seine jahrzehntelange Erfahrung hilft ihm trotzdem zu einer sprühenden Interpretation voller Humor und Feinsinn.
Die lustigen Weiber sind pastellfarbene Glucken im gutbürgerlichen Kostüm. Ihre Darstellung ist charmant und liebevoll trotz der ausgeheckten Gemeinheiten. Rebecca Evans als Alice Ford ist die Prominenteste. Sie spinnt nicht ihre erste Intrige und sorgt nebenbei noch für die Verlobung von Nanetta und Fenton. Zu diesem Bild passt auch ihr Sopran mit schönen Tiefen voll satter Energie, nur etwas schrill in der Höhe. Ihr Vibrato ist schönes Zierwerk, bewusst eingesetzt oder auch weggelassen. Als ausführende Kraft vermittelt Mistress Quickly zwischen den Fronten und setzt den Plan in Gang. Daniela Barcellona bedient sich dazu eines körperlichen Humors, besonders in den Szenen mit Falstaff. Ihr Mezzo ist elegant und flexibel, ihre Tiefen voll und gesund. Maite Beaumont als Ms. Meg Page wirkt unscheinbar. Mit leichten Mezzo fügt sie sich gut und überzeugend ein.
Das junge Liebespaar Nanetta und Fenton, Ruth Iniesta und Joel Prieto, harmoniert mit jugendlich glockenhellen Stimmen, die erotische Energie verströmen. Mit federleichtem Sopran besticht sie als Fee im dritten Akt besonders. Prietos Tenor ist sanft mit schönen Schmelz. Im Duett vereinen sich beide zu einem wunderschönen Paar.
Den großen bösen Gegenspieler Ford spielt Simone Piazzola mit souveräner Autorität und Kaltherzigkeit. Während des Gesprächs mit Falstaff kann er seine Stärken ausspielen, ansonsten ist sein Spiel solide bis kalt. Sein etwas höher angesiedelter Bariton verleiht ihm einen schönen deklamatorischen Ausdruck. Neben Falstaff ist Valeriano Lanchas eine autoritative Pistola mit etwas grobem Bariton und der schelmische Mikeldi Atxalandabaso zeichnet sich dank seines hellen und klangvollen Tenors als Bardolfo aus. Christophe Mortagne gibt einen lauten und lustigen Dr. Caius und vervollständigt damit die bestens agierenden Nebenrollen. Die Märchennacht bleibt jedoch weitgehend ohne Mysterium und Magie, auch das Orchester trug kaum zum Elfenhaften bei. Der Frauenchor dagegen zeichnet sich mit Perlmuttfarben für die Feen aus.
Daniele Rustioni leitet das Orchester mit Leidenschaft. Er schafft es meist, die Stimmen mit dem Orchester zu koordinieren. Aber seinem Dirigat fehlt es an Subtilität in komplizierten Teilen der Partitur und an Energie in den komischen Momenten.
Eine deutlich mehr als solide Aufführung dieser Oper mit gewissen Eigenarten bietet einen neuen Blick auf das Werk.