Der Geiger Fabio Biondi hat nun mit sechzig Lebensjahren nach jahrelanger Bühnenerfahrung mit den Sonaten und Partiten von Bach seine erste Einspielung dieser Werke vorgelegt. Mit 139 Minuten Spieldauer reiht er sich ein unter viele jüngere Aufnahmen, die eher länger sind als ältere. Dieses zeitlich ausladende Moment führt aber nicht zu gedehnter Langeweile, sondern bietet einfach die Zeit, die musikalischen Gedanken zu entfalten. Vielleicht geht insbesondere die Entwicklung hier weg vom solistisch gedachten zu intimerer Ideenvermittlung.
Da macht auch Biondi keine Ausnahme. Seine Darstellung zeichnet sich durch eine durchgehend geradlinige Natürlichkeit aus, man möchte fast sagen, sie strotz vor Simplizität. Dass das nur der Höreindruck ist, steht aber außer Zweifel. Biondi ist sich seiner Darstellung einfach sicher. Er hat sich solange mit diesen sechs Werken beschäftigt, dass er ganz bei ihnen angekommen ist und das nun in aller Entspanntheit mitteilen kann.
Sicher wird man hier und da etwas anmerken können. In der Fuga der ersten Sonate gibt es einen Moment, wo das Spiel zu stolpern scheint, aber vielleicht ist das auch intendiert und vor allem ist es schnell vorbei und vergessen. Das Presto der Sonate vermittelt wirklich ein Gefühl von Presto. In der Partita 1 gelangt die Corrente recht entspannt ans Ohr, die Corrente in der zweiten Partita wirkt trotz ihrer im Vergleich zu anderen längeren Dauer dagegen eher gehetzt. In der zweiten Sonate verleiht Biondi dem Andante eine fast schon einen schlendernden Gang, ohne dass sie deswegen zu langsam erschiene oder gar verschleppt, im Gegenteil hält es den Bogen bis zum Ende. Die berühmte Ciaccona der zweiten Partita zeigt im ansonsten butterweich gespielten Gesamtumfeld auch einige härter arpeggierte Akkorde, aber diese sind dann doch nicht brutal, sondern nur markant. Nach gut acht Minuten in der Fuga der dritten Sonate und auch dem Allegro assai mag man auch mal so etwas wie ein Nuscheln der Struktur zu vernehmen.
Aber diese im Moment Aufmerksamkeit erregenden Stellen stören nicht wirklich das Hörbild als Ganzes, das eine, passend zur Zeit der Veröffentlichung, in mildes Licht getauchte herbstliche Landschaft zeigt, die in vielen Farben leuchtet, reiche Früchte trägt und einen in dieser wunderbaren Musik schwelgen lässt.
Now sixty years old, violinist Fabio Biondi, after years of stage experience with Bach’s sonatas and partitas, has made his first recording of these works. With 139 minutes of playing time, it joins many younger recordings that tend to be longer than older ones. This expansive moment in time, however, does not lead to stretched boredom, but simply provides the time for the musical thoughts to unfold. Perhaps the development here in particular is away from the soloistically conceived to more intimate mediation of ideas.
Biondi is no exception. His performance is characterized by a consistently straightforward naturalness, one would almost say it bristles with simplicity. That this is only the auditory impression, however, is beyond doubt. Biondi is simply sure of his performance. He has been occupied with these six works for so long that he has completely arrived at them and can now communicate this in all relaxation.
Certainly one will be able to remark here and there. In the Fuga of the first sonata there is a moment where the playing seems to stumble, but perhaps that is intentional and above all it is quickly over and forgotten. The Presto of the sonata really gives a sense of presto. In Partita 1 the corrente reaches the ear in a fairly relaxed manner, while the corrente in the second partita, despite its longer duration compared to others, seems rather rushed. In the second sonata, Biondi gives the Andante an almost ambling gait, without making it seem too slow or even dragging; on the contrary, it holds the bow to the end. The famous Ciaccona of the second Partita also features some harder arpeggiated chords in the otherwise butterily played overall setting, but these are then not brutal, just striking. After a good eight minutes in the Fuga of the third sonata and also the Allegro assai, there may be some mumbling of structure.
But these in-the-moment attention-grabbing passages don’t really detract from the listening picture as a whole, which shows an autumnal landscape, appropriately for the time of release, bathed in mild light, glowing in many colors, bearing rich fruit and allowing one to revel in this wonderful music.