Wenn Interpreten neue Wege gehen, neue Aspekte einer Komposition herausschälen und dabei den Komponisten nicht verraten, bin ich sehr gerne bereit, diesen Weg mitzugehen, Neues zu erleben. Und genau das ist in den Werken dieser intelligent zusammengestellten CD möglich. Allein die Aufführung der Ravel-Sonate wäre schon ein Grund sich ‘Europe 1920’ anzuhören.
Mit seinem rasierklingenscharfen und doch nie kühlen, sondern geradezu sensuellen Geigenton und in völligem Einvernehmen mit seinem kongenial mitgestaltenden Bruder Dania am Klavier gibt Gabriel Tchalik der Sonate neue Farben und eine zwingende Unmittelbarkeit. Das rasante Finale ist atemberaubend in seiner fein ziselierten Virtuosität.
Viel Leidenschaftlichkeit verströmt die Sonate von Ottorino Respighi, in der auch Dania Tchalik viel mitzureden hat, was ihm sein Bruder gerne zugesteht. Die Verbindung von romantischer Tonsprache mit italienischer Expressivität und französischer Eleganz scheint mit hier vorbildlich gelungen und ist ein deutliches Aufwerten einer zu Unrecht wenig beachteten Komposition.
Auch Janaceks Sonate, die zwischen 1914 und 1922 entstand, ist romantisch und russisch inspiriert, wie vieles bei diesem Komponisten, der die Russen bewunderte. Besonders gut gelungen ist den beiden Interpreten der notturnohafte zweite Satz, der als Ballade (so die Satzbezeichnung) durchaus nicht nur Ruhe bringt, sondern auch Unruhe. Der Dialog der beiden Brüder Tchalik sorgt im Finale für viel Spannung, die nicht abnimmt und die Sonate voller unbeantworteter Fragen zu Ende gehen lässt.
Boris Lyatoshynskys Sonate von 1926 ist relativ modern in der Tonsprache, und durchgehend impetuos sowie aufgewühlt. Diese Unruhe versuchen die Tchalik-Brüder zu differenzieren, was dem Werk eindeutig zunutze kommt.