Das Programm, das Johannes Martin Kränzle und Hilko Dumno auf dieser CD aufführen, begreift Liederzyklen, die, wie es heißt, « einerseits den christlich-mitteleuropäischen, andererseits den osteuropäisch-jüdischen Kulturkreis in Glauben und Lebensart beschreiben ».
Richard Rudolf Kleins jiddische Lieder illustrieren sehr facettenreich Szenen aus dem Alltag. Kränzle gibt das in absolut köstlichen Interpretationen wieder, mit genuinem Tonfall und fantasievoller Darstellung. Genau diese Fantasie, diese für Mahler ungewohnte, unmittelbare Ausdrucksdramatik werden ihm Puristen in den ‘Wunderhorn’-Liedern vorwerfen. Das Opernhafte werden sie ankreiden. Aber ich teile so eine Kritik nicht. Das Opernhafte und Theatralische passt auch zu Mahler, und die Intensität des Ausdrucks ist zweifellos eindrucksvoll.
Nicht weniger stark lotet Kränzle Frank Martins ‘Jedermann-Dialoge’ aus: er ist in jedem Moment ein Jedermann!
Maurice Ravels ‘Deux mélodies hébraïques’ beschließen das Programm, und auch in diesen Melodien gelingt Kränzle eine genuine Interpretation, die die Bilder einfängt und vermittelt. Hoch interessant ist, wie er das titelgebende ‘L’énigme éternelle’ an das erste der Klein-Lieder angleicht, weil beide Komponisten ja hier denselben Text benutzen. Kränzle gibt dem Lied einen ganz anderen Charakter als van Dam, Souzay, Finley oder, a fortiori, Sängerinnen wie Ludwig oder Norman.
Nicht weniger Feinheit und nicht weniger Allüre hat das exquisite Klavierspiel von Hilko Dumno, dem es immer gelingt, jedes Bild auch wirklich vollständig zu machen.