Johann Sebastian Bach: Partiten und Sonaten für Violine solo; Augustin Hadelich; 2 CDs Warner 9029504874; Aufnahme 03/2020; Veröffentlichung 09/04/2021 (131') – Rezension von Uwe Krusch
Die Corona-Pandemie hat auch ihre guten Seiten, indem sie Träume Realität werden lässt. So nutzte Augustin Hadelich die Zeit, um die jeweils drei Solosonaten und Partiten von Johann Sebastian Bach aufzunehmen. Ein Traum ging für ihn in Erfüllung. Er spielt hierfür auf einer gerade noch zu Bachs Lebzeiten entstandenen Guarneri und natürlich mit einem alten Bogen, so dass er, der sonst auf einem modernen Instrument agiert, hierfür in historische Spielweisen eintaucht.
Das wirkt sich dann so aus, dass Passagen flüssiger gelingen, so dass sie tänzerischer wirken. Vibrato setzt er beschränkt und stilvoll ein. Bei den Verzierungen übernimmt er weitgehend die Vorgaben von Bach, nur vereinzelt flicht er weitere ein. Seine Darstellungen klingen technisch unangestrengt, dabei ein wenig nobel. Doch er entfaltet auch virtuos angedeutete Augenblicke, die kraftvoll und entschlossen klingen, manchmal beinahe schroff erklingen bei gebrochenen Akkorden. Wer mit Bach vor allem Struktur verbindet, der wird hier auch anderes hören. Hadelich deutet die Struktur so, dass Emotionen nur in eine Form gebracht werden müssen. Wo er rasant und virtuos spielt, manchmal fast motorisch, ist es sein Versuch, Bestandteile wie Nervosität und Form miteinander zu versöhnen.
Damit macht Hadelich hörbar, dass er nicht nur Reinheit und Klarheit zeigen möchte, sondern auch Vitalität und dass diese Musik mehr ist, eine Erfahrung, die an oder über Grenzen geht. Er vermittelt damit die Botschaft, dass aus musikalischen Entwicklungen neue Erkenntnis erwächst. Alles in allem deutet er die Sonaten und Partiten mit Neugierde und Überzeugung, punktuell auch mit purer Energie. In jedem Takt wird deutlich, dass er gedanklich alles genau durchleuchtet hat. Und trotzdem bleibt seine Interpretation natürlich und spontan, wie gerade geschaffen. Das ist spannend und hörenswert!
The Corona pandemic also has its good sides, for it can make dreams come true. Augustin Hadelich, for example, took advantage of this peirod to record each of Johann Sebastian Bach’s three solo sonatas and partitas. A dream came true for him. For this project he plays on a Guarneri that was made just in Bach’s lifetime and of course with an old bow, so that he, who otherwise uses a modern instrument, immerses himself in historical playing styles.
This has the effect of making passages more fluid, so that they seem more dance-like. He uses vibrato in a limited and stylish way. In the ornaments he largely respects Bach’s specifications, only occasionally weaving in others. His performances sound technically unstrained, at the same time a little noble. But he also unfolds virtuosic moments that sound powerful and determined, sometimes almost abrupt in broken chords. Those who associate Bach above all with structure will hear something else here. Hadelich interprets the structure in such a way that emotions only have to be brought into a form. Where he plays rapidly and virtuosically, sometimes almost motorically, it is his attempt to reconcile components such as nervousness and form.
In this way Hadelich makes audible that he does not only want to show purity and clarity, but also vitality and that this music is more, an experience that goes to or beyond limits. He thus conveys the message that new knowledge grows out of musical developments. All in all, he plays the sonatas and partitas with curiosity and conviction, at points also with pure energy. In every bar it is clear that he has thought through everything in detail. And yet his interpretation remains natural and spontaneous, as if just created. That is exciting and worth listening to.