Noch immer ist Verdis ‘Messa da Requiem’ der großangelegte Widerspruch, das ambivalente Faszinosum, das schon die Menschen im 19. Jahrhundert als weltliche Musik in klerikalem Gewand zutiefst verunsicherte. Zwar entspricht der lateinische Text den Anforderungen der katholischen Totenliturgie, doch die Musik selbst ist ‘Verdi pur’ – grandioses Spätwerk eines Komponisten, der von sich selbst behauptete, er sei ‘ein Mann des Theaters’.
Die bereits auf DVD und jetzt auf Blu-ray mit Hi-Res-Audio veröffentlichte Videoaufnahme eines Konzerts im Rahmen des ‘Edinburgh Festival’ 1982 macht dies umso deutlicher, als das Mienenspiel der Solisten bestürzende Expressivität suggeriert: Margaret Price blickt meist verklärt in lichte Höhen, die auch vokal zu ihren absoluten Stärken zählen. Weit diesseitiger wirkt Jessey Normans tiefdunkle, sinnlich-abgründige und von sehnsuchtsvollem Fluidum geprägte Interpretation. Da fallen die beiden Männer ein wenig ab: Bei aller technischen Finesse hätte ich von José Carreras gern einen Schuß mehr Nachdruck und emotionale Tiefenwirkung gehört. Und Ruggero Raimondi modelliert zugegebenermaßen manch ungehörte Phrase, der anrührende Funken indes will nicht so recht überspringen. Dass dieses Kolossalwerk in riesenhafter Besetzung auch von berührender Sensibilität und Zärtlichkeit sein, aus einer latenten Innenspannung erwachsen kann scheint Claudio Abbado am Verdi-Requiem zu faszinieren. Um diesen Interpretationsansatz jedoch adäquat über die Rampe zu bringen, bräuchte es ein wenig mehr Präzision in Orchester und Chor, der etwa in der Sanctus-Fuge, die – auch sprachlich – völlig aus dem Gleichgewicht gerät. Das, wie schon auf der DVD, auch jetzt mit den Möglichkeiten der Blu-ray auf Untertitel verzichtet wurde, bleibt unverständlich. Immerhin gibt es den Text jetzt im ansonsten wenig informativen Begleitheft.