Wenn Cédric Tiberghien mit der ‘Bagatelle sans tonalité’ sein Liszt-Programm beginnt, kreiert er eine derart mysteriöse Stimmung, dass der Hörer sofort in den Bann seines evokativen Spiels gezogen wird. Das ist dann schon wirkliche keine Bagatelle mehr. Fast ätherisch, mit viel Melancholie erklingt das ‘Wiegenlied’, ehe der Vierte Mephisto-Walzer Virtuosität ins Spiel bringt. Düster wird’s dann mit ‘Lugubre Gondola II’, aufgewühlt unruhig in ‘Schlaflos! Frage und Antwort’, verträumt in ‘En rêve ». Was der Pianist an Ausdruckreichtum aus diesen Miniaturen herausnimmt, ist stupend!
Es folgen die sieben Tondichtungen der ‘Années de Pèlerinage, 3e année’. Hier handelt es sich um eher introvertierte, kontemplative Stücke mit oft düster-verhangener Stimmung.
Tiberghiens technisch herausragendes, auf einem Yamaha-Flügel sehr klar formuliertes, sensibles und oft meditatives Spiel, seine Farbmischungen, sein wunderbares Nuancieren, als das macht aus dieser Aufnahme etwas ganz Besonderes, zumal weil jedes Gefühl echt und tief empfunden wirkt und nicht sentimental aufgesetzt. So zeigt er deutlich, wie sich Liszts Musik in den ‘Années de pèlerinage 3’ deutlich in eine Richtung bewegt, an die Debussy und Ravel anknüpfen sollten.
Kein Zweifel also: Tiberghien legt mit dieser Einspielung ein ungemein kohärentes und wunderbar interpretiertes Liszt-Programm vor.