Als Italien aufgrund der Rassengesetze von 1938 de facto antisemitisch wurde, verließ der Komponist Mario Castelnuovo-Tedesco mit seiner Familie Italien und ging mit der Hilfe von Arturo Toscanini in die Vereinigten Staaten. Jascha Heifetz verhalf ihm zu einem Kontrakt mit Metro-Goldwyn-Mayer in Hollywood, in dessen Rahmen er über 200 Filmmusiken komponierte. Castelnuovo-Tedesco starb 1968 in Beverly Hills.
Der amerikanische Pianist David Witten, der neben seiner Konzertkarriere auch Professor an der ‘Montclair State University’ (New Jersey) ist, spielt auf dieser CD frühe wie späte Werke Castelnuovo-Tedescos, die er als ‘eclectic’, also stilistisch sehr verschiedenartig bezeichnet (das Wort hat im Englischen keine so abwertende Bedeutung wie im Deutschen)
Das Programm beginnt mit ‘Le Stagioni’, in dem die vier Jahreszeiten musikalisch beschrieben werden. Auf dieses Werk von 1924 folgt die ‘Sonatina Zoologica’ von 1960 mit musikalischen Portraits (oder sollte man sagen: Bewegungsstudien) der Libelle, der Schlange, der Eidechse und der Ameisen.
Die CD beinhaltet auch sogenannte ‘Greeting Cards’, die der Komponist für einige Freunde schrieb, das impressionistisch klingende ‘Mirages’ für Walter Gieseking, ‘Tango for Piano’ für André Previn, und ‘Slow, with variations’ für Nicolas Slonimsky.
Das letzte Werk ist ‘Piedigrotta 1924: Rapsodia Napoletana’, das auf Liedern und Tänzen aus Neapel beruht und 1925 von Walter Gieseking in Berlin uraufgeführt wurde.
Mit David Witten steht hier ein fingerfertiger Solist bereit, der Castelnuovo-Tedescos Musik die nötige Klarheit und Eleganz verleiht, wobei es ihm an Flexibilität nicht fehlt, um sich immer wieder auf ganz bestimmte Stimmungen einzuschwingen. Er kann die einzelnen Miniaturen brillant charakterisieren, ohne je zu übertreiben. Verdickung des Klangs oder Überbetonung der Stimmungen wären tödlich für diese Kompositionen, die von Finesse und raffiniertester Differenzierung leben.