Im März 2013 ging Marek Janowskis konzertanter Wagnerzyklus in Berlin mit der ‘Götterdämmerung’ zu Ende. Die Opern der Tetralogie wurden bereits einzeln sowie in der kompletten Wagner-Box veröffentlicht. Den ganzen ‘Ring des Nibelungen’ gibt es jetzt auch als Auskopplung aus dem Zyklus: 13 Super-Audio-CDs und ein über 250-seitiges Booklet mit Werkeinführungen und den kompletten Libretti in Deutsch und Englisch befinden sich in einer aufklappbaren 30×30 cm großen Box wieder.
Faszinierend an diesem Ring ist in vielen Hinsichten das zupackende, kräftig akzentuierte und dramatisch angeheizte Dirigat Janowskis, und das von der ersten der vier Opern an.
Das RSO Berlin folgt Janowski bewundernswert und mit packender Sonorität durch Wagners ‘Rheingold’, jener Oper, in der der Grundstein der ‘Götterdämmerung’ gelegt wird, mit der Wagner seinen Hass gegen Geldsucht und Großfinanz artikuliert, er, der quasi ein Leben lang bettelarm war und ständig auf der Flucht vor Gläubigern, die ihm für seinen allerdings sehr ausgeprägten Hang zum Luxus Geld geliehen hatten.
Unter den Sängern gebührt zweifellos Jochen Schmeckenbecher als Alberich die Palme. Mit seiner kräftigen und wendigen Baritonstimme bringt er alle Facetten des verhaltensgestörten Nachtalben zum Ausdruck. Eine typische Versagerfigur, die zur Macht aufsteigt und, als das Unternehmen scheitert, als Rückgratloser zum rücksichtlosen Verbrecher wird.
Eine gute Leistung gibt es von Iris Vermillion als darstellerisch prägnante Fricka. Hingegen bleibt Tomasz Konieczny dem Wotan so manches schuldig. Die verzwickte Lage, in die sich der Götterchef hinein manövriert hat, und die er wie ein typischer Versager-Politiker löst, kann der Sänger nicht wirklich deutlich werden lassen. Schlimmer noch steht es um den Loge von Christian Elsner. Dieser singt sich näselnd lyrisch durch die Partie, ohne den cleveren Feuergott glaubwürdig darstellen zu können.
Die übrigen Rollen sind überwiegend gut besetzt, und was auf sängerischer Ebene nicht ganz so gut gelingt bei diesem Livemitschnitt, wird durch die fulminante musikalische Leitung und die pracht- und effektvolle Orchesterdramatik wettgemacht, die im Surroundklang zu hören schon ein Erlebnis ist.
Auch in ‘Die Walküre’ ist es vor allem Janowskis Arbeit als Orchesterleiter, die herausragt. Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin spielt mit einem derart dramatischen Impetus, dass Musikfluss, Orchesterrhetorik und Spannung während der dreieinhalb Stunden, die die Oper dauert, ständig erhalten bleiben. Das zeugt von der großartigen Kraft des Dirigenten, Wagners Musikdrama in vollem Umfang umzusetzen. Die Stürme von Liebe und Hass sowie die damit verbundenen Leidenschaften werden mit voller Kraft und mit durchwegs zügigen Tempi zum Ausdruck gebracht. Schnell ist Janowski vor allem im 3. Aufzug, den er in nur 64’31 dirigiert.
Unter den Sängern wird Tomasz Koniecznys Wotan die meisten Diskussionen hervorrufen. Im ‘Rheingold’ hatte er die Figur nicht wirklich psychoanalytisch ausgelotet. Das gelingt ihm aber in der ‘Walküre’. Die Verbitterung des obersten der Götter bringt er mit kräftiger Stimme sehr gut zum Ausdruck. In seiner Stimme liegt so viel Gram und Widerwille, dass man manchmal glaubt, er sei der Figur Alberichs näher als jener Wotan. Von Gotteswürde bleibt da nichts übrig. Man kann ihn verstehen, denn schließlich ist so ziemlich alles schief gelaufen, was möglich war, und Iris Vermillions bitterböse, von Abscheu getriebene, hämische Fricka hat ihm besonders schlimm zugesetzt. Eine meines Erachtens exzellente Darstellung, aber dieser zudem recht jung wirkende Wotan wird gewiss nicht ins Bild eines jeden Wagner-Liebhabers passen.
Petra Lang, von der ich schon geglaubt hatte, sie steuere mit zu viel Vibrato einem schlimmen Ende entgegen, singt eine darstellerisch und stimmlich gute Brünnhilde, auch wenn ich mir hin und wieder mehr Projektion wünschte. Doch die Stimme ist angenehm lyrisch und immer ausdrucksvoll.
Mit dem Siegmund von Robert Dean Smith bin ich nicht ganz zufrieden. Die Stimme ist ungleichmäßig, sie klingt manchmal alt und verbraucht, und es fehlt der Figur in der Schlussszene des 1. Aktes eindeutig die jugendliche Kraft.
Melanie Diener hingegen ist als Sieglinde glaubhaft und stimmlich durchaus akzeptabel, wenngleich nicht zu vergleichen mit den Top-Interpretinnen der Rolle. Eine gute stimmliche und darstellerische Leistung gibt es vom finnischen Bass Timo Riihonen in der Rolle des Hunding. Die acht Walküren sind ebenfalls gut besetzt.
Positiv in die Waagschale fällt auch die Aufnahmetechnik, die ein fülliges und räumliches, transparentes und gut ausbalanciertes Klangbild besorgt hat.
Im ‘Siegfried’ singt Stephen Gould den Siegfried. Er hat eine relativ dunkel timbrierte Tenorstimme, der es an Glanz fehlt, wenn die Stimme nicht unter Druck ist. Vor allem aber fehlt mir das jugendliche Feuer und am Schluss das Ekstatische des Gesangs. Für heutige Verhältnisse ist Gould aber akzeptabel.
Christian Elsner singt einen eher heftigen als ausdrucksvollen Mime. Man denkt wehmütig an Gerhard Stolzes eindrucksvolle Darstellung der Figur in der Karajan-Aufnahme. Stimmlich ist Elsner hier viel besser als im ‘Rheingold’. Positiv zu verbuchen ist die Textverständlichkeit seines Gesangs.
Violeta Urmana debütierte in Berlin als Brünnhilde im ‘Siegfried’. Stimmlich meistert sie die höllisch schwierige Rolle recht gut, aber darstellerisch bleibt sie ihr ziemlich alles schuldig.
Tomasz Konieczny beeindruckt auch im ‘Siegfried’ stimmlich wie auch durch sein Rollenverständnis. Jochen Schmeckenbechers Alberich ist genau so überzeugend wie Matti Salminens Fafner.
Und auch in dieser Folge des ‘Rings’ muss man Janowski höchstes Lob zollen. Sein meisterhaftes Dirigat bringt die Orchestermusik mit schnellen Tempi und größter Transparenz zum Blühen. Ob das nicht auf Kosten des Gesangs geht ist eine andere Frage….
Janowskis Leistung und die des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin kann man auch in der ‘Götterdämmerung’ nicht genug loben.
Mit dieser Partitur schließt der Dirigent seinen ‘Ring’ mit einem musikalischen Konzept, das ganz auf den Fluss der Musik und auf Elan setzt und damit immer den großen Bogen erzielt.
Die Nebenrollen sind in der ‘Götterdämmerung’ weitgehend gut besetzt, aber was die Hauptrollen anbelangt, sind teilweise Reserven anzumelden. Matti Salminen ist ein beeindruckender Hagen und er gibt der Figur mehr Tiefe als so manche seiner Kollegen das geschafft haben. Lance Ryan ist von der Rolle des Siegfried kontinuierlich überfordert, sein Gesang klingt oft gequält und larmoyant. Manchmal ist es mehr Schreien als Singen.
Petra Lang ist die Brünnhilde in dieser Aufnahme. Sie singt temperamentvoll mit einer dunkel timbrierten Stimme, die aber auch in der Höhe eine gute Wirkung zeigt. Von einer idealen Brünnhilde sind wir zwar weit entfernt, aber angesichts der Tatsache, dass der ‘Ring’ heute nun kaum noch zufriedenstellend zu besetzten ist, bleibt ihre Leistung beachtlich.
Vocally uneven the four Ring operas comprise some moments of memorable singing. But the overall positive impression comes mainly from the gorgeous sound delivered by the RSO Berlin. Janowski’s tempi are fast, and the music is delivered with dramatic pulse throughout the entire Ring. The surround recording provides an outstanding acoustic experience.